Wetterkapriolen bei Turnierspielen: Nur deutsche Siege

Wetterkapriolen sind in unseren Tagen nichts Besonderes mehr, aber die gestrige Unterbrechung des EM-Achtelfinals gegen Dänemark war zumindest für den DFB eine Premiere bei Turnierspielen. Ausschlaggebend waren die Blitze, die die Gesundheit der Spieler hätten gefährden können. Ungeheure Wassermassen stürzten auch bei vier früheren Spielen mit Deutschland auf die Akteure und das Spielfeld, aber da wurde ihnen keine Atempause gegönnt. Zwei fielen ebenfalls in ein Turnier in Deutschland.

Jeder kennt die Wasserschlacht von Frankfurt am 3. Juli 1974, als auf einem nahezu unbespielbaren Platz der Finalteilnehmer zwischen Deutschland und Polen ermittelt wurde. Doch schon drei Tage zuvor kam es in Düsseldorf zu einer Wasserschlacht gegen die Schweden. Das zweite Zwischenrundenspiel fiel auf einen Sonntag, der seines Namens spottete. Die Sonne hatte sich den ganzen Tag nicht blicken lassen, man wähnte sich im deutschen Herbst. Ein heftiger Dauerregen ging über Düsseldorf nieder, 67.000 Zuschauer sahen bei kühlen 16 Grad einen heißen Kampf. Viele von ihnen trugen schwedische Farben, denn der damals angesagte "Friesen-Nerz" ist nun mal Gelb.

Wenn es bei Fußball regnete, war Ehrenspielführer Fritz Walter in jenen Tagen ein gefragter Gesprächspartner. Er sagte in Düsseldorf: "Das ist schon kein Fritz-Walter-Wetter mehr, der Boden wird das Letzte von den Spielern fordern." Das tat er. Im Dauerregen des Rheinstadions entwickelte sich das vielleicht beste Spiel der WM 1974, das die Deutschen letztlich mit 4:2 gewannen. Dabei war der Rasen, auf dem sich schnell Löcher zeigten, eigentlich eine Zumutung für die großen Spieler jener Ära. Selbst Franz Beckenbauer unterliefen Fehlpässe und ZDF-Reporter Wolfram Esser erklärte: "Das Wasser spritzt auf, sicherlich große Probleme für beide Mannschaften." Zeitweise wirkte der Dauerregen wie ein Schleier, durch den die teils völlig durchnässten Zuschauer blicken mussten. Die Spieler hatten Mühe, nach Sprints auf den Beinen zu bleiben, Paul Breitner rutschte in die mit Schirmen und Kapuzen bewehrten Fotografen. "Nach dem Spiel war ich fertig wie nie und froh, 24 Stunden keinen Ball sehen zu müssen", sagte Beckenbauer nichtahnend, dass da noch eine Steigerung kommen würde.

14 Liter Regen pro Quadratmeter gegen Polen

Das legendäre Polen-Spiel in Frankfurt war das wohl unzumutbarste der WM-Geschichte. Knapp 90 Minuten vor dem planmäßigen Anpfiff (16 Uhr) gingen 14 Liter pro Quadratmeter nieder und "die Regentropfen sprangen einen halben Meter vom Boden hoch", erinnerte sich der Schiedsrichter Erich Linemayr aus Linz. 40 Minuten dauerte der Spuk, und er hinterließ auf dem Rasen des Waldstadions eine Seenlandschaft, nicht mal die Linien waren zu sehen. Sie wurden vor aller Augen nachgezogen, doch das war das kleinste Problem und machte den Platz auch nicht bespielbar.

Linemayr beriet sich mit seinen Assistenten und beschloss, auf Zeit zu spielen. Er ging in die Kabinen der Mannschaften und teilte ihnen zunächst mit, noch zehn Minuten zu warten, dann kam er wieder und bat um weitere 20 Minuten Geduld. Die Deutschen zogen sich die Fußballschuhe wieder aus und kickten sich die Nervosität im Duschraum weg – in Turnschuhen. Im Stadion brannte ab 15.30 an einem Juli-Tag das Flutlicht, so dunkel war der Gewitterhimmel. Nun wurde Ehrenspielführer Uwe Seeler gefragt und er beteuerte in der ARD: "Das ist unser Wetter."

Heimliche Helden an der Walze

Eine Spielfeldhälfte war nahezu komplett unter Wasser, die Pfützen waren bis zu zehn Zentimeter tief und das Grün war an drei Stellen hässlichem Braun gewichen. Die Drainage war zu schlecht, das Wasser lief nicht ab. "Der Frankfurter Rasen ist eine Weltmeisterschaftsblamage!", schrieb der kicker am nächsten Tag. Aber es gab auch Helden.

Ordner versuchten mit zwei Wasserkehrmaschinen (Walzen) so viel wie möglich abzupumpen. Vier Mann an einer Walze, liefen sie auf und ab, am Ende barfuß. Dann kam ein Löschzug zum Einsatz, mit Schläuchen bildeten sie einen eigenen Wasserkreislauf und verwendeten das eigene Wasser als Treibmittel. Es war ein rührender Kampf gegen die Fluten, ARD-Kommentator Ernst Huberty gab am Mikrofon Durchhalteparolen aus und fand: "Es steigert ja nur die Spannung."  Als Linemayr dann doch anpfiff, war Hubertys erster Eindruck: "Das hat mit Fußball wenig zu tun". Zu oft blieben eigentlich gut getimte Pässe in Lachen liegen und mancher Dribbler verlor den Ball unterwegs nicht an einen Gegenspieler, sondern in einer Pfütze. Auch das erste Wasserballspiel der WM-Geschichte fand ein gutes Ende für die Deutschen, Gerd Müller schoss in der zweiten Hälfte, als der Regen mal Pause machte, das einzige Tor.

Torregen gegen die Vereinigten Arabischen Emirate

Am 15. Juni 1990 in Mailand konnte ein Unwetter einen deutschen Kantersieg nicht verhindern. Vor dem zweiten Gruppenspiel gegen die Vereinigten Arabischen Emirate setzte ein Unwetter ein mit Regen, Blitz, Donner und einem heftigen Sturm. "Es war schwierig zu spielen bei diesem Regen", sagte Thomas Berthold zwar, aber am Ende stand ein 5:1 und der Corriere dello Sport schrieb: "Es regnete Tore über den Emiraten." Aber erst nach einer Vielzahl vergebener Chancen, was auch etwas mit dem Wetter und dem Rasen zu tun gehabt haben dürfte. Größere Probleme hatten übrigens ausgerechnet die Besucher auf den besseren Plätzen. Den TV-Kommentatoren wurden Plastikplanen gereicht, um sich und ihre Monitore zu schützen und in Wolfgang Niersbachs WM-Tagebuch stand zu lesen: "Über dem Meazza-Stadion geht während des Spiels ein Gewitter mit Blitz und Donner herunter, wie man es Jahre nicht erlebt hat. Der Regen ignoriert die imposante Dachkonstruktion. Viele Gäste wie DFB-Vizepräsident Otto Andres und der Ligaausschuß-Vorsitzende Gerhard Mayer-Vorfelder, sind im Handumdrehen pitschnaß und flüchten schließlich vor den Wassermassen.“

Auch vor dem letzten Gruppenspiel der WM 2014 in Recife gegen die USA (1:0) holten sich Spieler und Besucher am 25. Juni nicht nur nasse Füsse. An jenem Donnerstag erlebte die Stadt Recife ein Unwetter, das auch die ältesten Einwohner noch in Erschrecken versetzt. Der Spielbeginn war akut gefährdet, die Innenstadt stand unter Wasser. Mühsam bahnten sich die eskortierten Mannschaftsbusse den Weg ins Stadion, zu dem die Fans nur nach Kilometer langen Märschen gelangen, Busse fuhren es gar nicht erst an und Schlauchboote gab es auf die Schnelle keine. Fliegende Händler wurden ihre Plastikumhänge für drei Euro in Windeseile los.

Bilder des klitschnassen Löw gehen um die Welt

Immerhin fanden die Aktiven einen relativ gut bespielbaren Rasen vor, auch weil Ordner die Fünfmeterräume mit Planen abdeckten und die Spieler ihr Aufwärmprogramm in den Katakomben machen (müssen). Eine zunächst angedachte Verlegung um eine Stunde kollidierte mit den Statuten, wonach die letzten Gruppenspiele parallel stattfinden müssen. Also ging es raus in den brasilianischen Regen, dem sich auch der Bundestrainer aussetzte. Das Bild vom völlig durchnässten Joachim Löw, der am Spielfeldrand heftig gestikulierte, gehört er zu den einprägsamsten Erinnerungen an jene Partie, die durch ein Müller-Tor entschieden wurde. Damit verdiente sich der Münchner die Schlagzeile der Bild Zeitung: "Müller, du Regen-Gott!"

Fazit: Wenn das Wetter Kapriolen schlägt, muss das für Deutschland kein schlechtes Omen sein. Mit dem Regen kam auch immer ein ausreichender Torsegen.

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Wetterkapriolen sind in unseren Tagen nichts Besonderes mehr, aber die gestrige Unterbrechung des EM-Achtelfinals gegen Dänemark war zumindest für den DFB eine Premiere bei Turnierspielen. Ausschlaggebend waren die Blitze, die die Gesundheit der Spieler hätten gefährden können. Ungeheure Wassermassen stürzten auch bei vier früheren Spielen mit Deutschland auf die Akteure und das Spielfeld, aber da wurde ihnen keine Atempause gegönnt. Zwei fielen ebenfalls in ein Turnier in Deutschland.

Jeder kennt die Wasserschlacht von Frankfurt am 3. Juli 1974, als auf einem nahezu unbespielbaren Platz der Finalteilnehmer zwischen Deutschland und Polen ermittelt wurde. Doch schon drei Tage zuvor kam es in Düsseldorf zu einer Wasserschlacht gegen die Schweden. Das zweite Zwischenrundenspiel fiel auf einen Sonntag, der seines Namens spottete. Die Sonne hatte sich den ganzen Tag nicht blicken lassen, man wähnte sich im deutschen Herbst. Ein heftiger Dauerregen ging über Düsseldorf nieder, 67.000 Zuschauer sahen bei kühlen 16 Grad einen heißen Kampf. Viele von ihnen trugen schwedische Farben, denn der damals angesagte "Friesen-Nerz" ist nun mal Gelb.

Wenn es bei Fußball regnete, war Ehrenspielführer Fritz Walter in jenen Tagen ein gefragter Gesprächspartner. Er sagte in Düsseldorf: "Das ist schon kein Fritz-Walter-Wetter mehr, der Boden wird das Letzte von den Spielern fordern." Das tat er. Im Dauerregen des Rheinstadions entwickelte sich das vielleicht beste Spiel der WM 1974, das die Deutschen letztlich mit 4:2 gewannen. Dabei war der Rasen, auf dem sich schnell Löcher zeigten, eigentlich eine Zumutung für die großen Spieler jener Ära. Selbst Franz Beckenbauer unterliefen Fehlpässe und ZDF-Reporter Wolfram Esser erklärte: "Das Wasser spritzt auf, sicherlich große Probleme für beide Mannschaften." Zeitweise wirkte der Dauerregen wie ein Schleier, durch den die teils völlig durchnässten Zuschauer blicken mussten. Die Spieler hatten Mühe, nach Sprints auf den Beinen zu bleiben, Paul Breitner rutschte in die mit Schirmen und Kapuzen bewehrten Fotografen. "Nach dem Spiel war ich fertig wie nie und froh, 24 Stunden keinen Ball sehen zu müssen", sagte Beckenbauer nichtahnend, dass da noch eine Steigerung kommen würde.

14 Liter Regen pro Quadratmeter gegen Polen

Das legendäre Polen-Spiel in Frankfurt war das wohl unzumutbarste der WM-Geschichte. Knapp 90 Minuten vor dem planmäßigen Anpfiff (16 Uhr) gingen 14 Liter pro Quadratmeter nieder und "die Regentropfen sprangen einen halben Meter vom Boden hoch", erinnerte sich der Schiedsrichter Erich Linemayr aus Linz. 40 Minuten dauerte der Spuk, und er hinterließ auf dem Rasen des Waldstadions eine Seenlandschaft, nicht mal die Linien waren zu sehen. Sie wurden vor aller Augen nachgezogen, doch das war das kleinste Problem und machte den Platz auch nicht bespielbar.

Linemayr beriet sich mit seinen Assistenten und beschloss, auf Zeit zu spielen. Er ging in die Kabinen der Mannschaften und teilte ihnen zunächst mit, noch zehn Minuten zu warten, dann kam er wieder und bat um weitere 20 Minuten Geduld. Die Deutschen zogen sich die Fußballschuhe wieder aus und kickten sich die Nervosität im Duschraum weg – in Turnschuhen. Im Stadion brannte ab 15.30 an einem Juli-Tag das Flutlicht, so dunkel war der Gewitterhimmel. Nun wurde Ehrenspielführer Uwe Seeler gefragt und er beteuerte in der ARD: "Das ist unser Wetter."

Heimliche Helden an der Walze

Eine Spielfeldhälfte war nahezu komplett unter Wasser, die Pfützen waren bis zu zehn Zentimeter tief und das Grün war an drei Stellen hässlichem Braun gewichen. Die Drainage war zu schlecht, das Wasser lief nicht ab. "Der Frankfurter Rasen ist eine Weltmeisterschaftsblamage!", schrieb der kicker am nächsten Tag. Aber es gab auch Helden.

Ordner versuchten mit zwei Wasserkehrmaschinen (Walzen) so viel wie möglich abzupumpen. Vier Mann an einer Walze, liefen sie auf und ab, am Ende barfuß. Dann kam ein Löschzug zum Einsatz, mit Schläuchen bildeten sie einen eigenen Wasserkreislauf und verwendeten das eigene Wasser als Treibmittel. Es war ein rührender Kampf gegen die Fluten, ARD-Kommentator Ernst Huberty gab am Mikrofon Durchhalteparolen aus und fand: "Es steigert ja nur die Spannung."  Als Linemayr dann doch anpfiff, war Hubertys erster Eindruck: "Das hat mit Fußball wenig zu tun". Zu oft blieben eigentlich gut getimte Pässe in Lachen liegen und mancher Dribbler verlor den Ball unterwegs nicht an einen Gegenspieler, sondern in einer Pfütze. Auch das erste Wasserballspiel der WM-Geschichte fand ein gutes Ende für die Deutschen, Gerd Müller schoss in der zweiten Hälfte, als der Regen mal Pause machte, das einzige Tor.

Torregen gegen die Vereinigten Arabischen Emirate

Am 15. Juni 1990 in Mailand konnte ein Unwetter einen deutschen Kantersieg nicht verhindern. Vor dem zweiten Gruppenspiel gegen die Vereinigten Arabischen Emirate setzte ein Unwetter ein mit Regen, Blitz, Donner und einem heftigen Sturm. "Es war schwierig zu spielen bei diesem Regen", sagte Thomas Berthold zwar, aber am Ende stand ein 5:1 und der Corriere dello Sport schrieb: "Es regnete Tore über den Emiraten." Aber erst nach einer Vielzahl vergebener Chancen, was auch etwas mit dem Wetter und dem Rasen zu tun gehabt haben dürfte. Größere Probleme hatten übrigens ausgerechnet die Besucher auf den besseren Plätzen. Den TV-Kommentatoren wurden Plastikplanen gereicht, um sich und ihre Monitore zu schützen und in Wolfgang Niersbachs WM-Tagebuch stand zu lesen: "Über dem Meazza-Stadion geht während des Spiels ein Gewitter mit Blitz und Donner herunter, wie man es Jahre nicht erlebt hat. Der Regen ignoriert die imposante Dachkonstruktion. Viele Gäste wie DFB-Vizepräsident Otto Andres und der Ligaausschuß-Vorsitzende Gerhard Mayer-Vorfelder, sind im Handumdrehen pitschnaß und flüchten schließlich vor den Wassermassen.“

Auch vor dem letzten Gruppenspiel der WM 2014 in Recife gegen die USA (1:0) holten sich Spieler und Besucher am 25. Juni nicht nur nasse Füsse. An jenem Donnerstag erlebte die Stadt Recife ein Unwetter, das auch die ältesten Einwohner noch in Erschrecken versetzt. Der Spielbeginn war akut gefährdet, die Innenstadt stand unter Wasser. Mühsam bahnten sich die eskortierten Mannschaftsbusse den Weg ins Stadion, zu dem die Fans nur nach Kilometer langen Märschen gelangen, Busse fuhren es gar nicht erst an und Schlauchboote gab es auf die Schnelle keine. Fliegende Händler wurden ihre Plastikumhänge für drei Euro in Windeseile los.

Bilder des klitschnassen Löw gehen um die Welt

Immerhin fanden die Aktiven einen relativ gut bespielbaren Rasen vor, auch weil Ordner die Fünfmeterräume mit Planen abdeckten und die Spieler ihr Aufwärmprogramm in den Katakomben machen (müssen). Eine zunächst angedachte Verlegung um eine Stunde kollidierte mit den Statuten, wonach die letzten Gruppenspiele parallel stattfinden müssen. Also ging es raus in den brasilianischen Regen, dem sich auch der Bundestrainer aussetzte. Das Bild vom völlig durchnässten Joachim Löw, der am Spielfeldrand heftig gestikulierte, gehört er zu den einprägsamsten Erinnerungen an jene Partie, die durch ein Müller-Tor entschieden wurde. Damit verdiente sich der Münchner die Schlagzeile der Bild Zeitung: "Müller, du Regen-Gott!"

Fazit: Wenn das Wetter Kapriolen schlägt, muss das für Deutschland kein schlechtes Omen sein. Mit dem Regen kam auch immer ein ausreichender Torsegen.