Weltmeister Horst Eckel wird 88

Sein größtes Spiel ist seit mehr als 65 Jahren abgepfiffen, nur wenige haben ihn noch spielen sehen. Horst Eckel, der letzte lebende Held von Bern, der jüngste der legendären Weltmeister 1954, wird am heutigen Samstag 88 Jahre. Seine Popularität ist ungebrochen.

Beinahe möchte man sagen: Sie steigt mit dem Alter. Eckel hat eine eigene Homepage, man kann ihm auf Instagram und Twitter folgen, er ist bei Facebook. Nun gut, darum kümmert sich Tochter Dagmar, mit der er die Horst-Eckel-Stiftung gegründet hat. Diese dient der Bildungsförderung, denn "Bildung ist der Wegweiser zur erfolgreichen Berufslaufbahn", wird Eckel auf der Homepage zitiert. Das weiß der ehemalige Realschullehrer besser als manch anderer Kicker von gestern und von heute.

"Auch im Freundsein Weltmeister"

Seit drei Jahren hat er sogar seine eigene Gala, die jeden Mai im pfälzischen Morbach stattfindet, wo er einst ein Sporthotel betrieb. Das Fest wird von Prominenz aus Sport, Wirtschaft und Politik stark frequentiert, aber auch von seinen vielen Freunden. Eckel sei "auch im Freundsein Weltmeister", schrieb eine Zeitung mal. Der Erlös kommt seiner Stiftung zu.

Auch für die Stiftung des einen großen Mannes, der sein Leben geprägt hat, Ex-Bundestrainer Sepp Herberger (1977 verstorben), ist er noch aktiv. Soweit es die Kraft und die Gesundheit erlauben, besucht er seit Jahrzehnten schon Justizvollzugsanstalten und macht den meist jugendlichen Insassen Mut für ein Leben in Freiheit, das irgendwann wieder auf sie wartet. "Anstoß für ein neues Leben" heißt das Projekt, das ein Musterbeispiel für die Kraft des Fußballs weit über die Spielfeldbegrenzungen hinaus ist.

Eckel noch häufig "uff de Betze"

Horst Eckel also auf allen Kanälen, immer noch. Im Januar erst beim TV-Sender Sport1, der zu einem Hausbesuch vorbeikam. Menschen, die ein Wunder erlebt haben, und sei es nur eines im Fußball, denen hört man gerne zu. Selbst wenn sie nichts Neues mehr erzählen können. Eckel hat sein Wissen von der WM 1954 schon in ein Buch gepackt ("Die 84. Minute") und war vor der WM 2006 im eigenen Land der gefragteste Zeitzeuge. In jenen Monaten wurde Eckel, der in der ersten Elf von Bern ein unspektakulärer Fleißarbeiter mit dem Spitznamen "Windhund" war, noch auf seine alten Tage zum Medienstar, der irgendwann einen Berater brauchte zur Terminkoordination und zum Aushandeln von Honoraren. So was hatte der Spieler Eckel nie gelernt, und dem Menschen Eckel liegt es ohnehin nicht.

Wohl selten aber hat es ein Ex-Sportler über 70 Jahre auf so viele öffentliche Auftritte binnen weniger Wochen gebracht wie damals Eckel. Keine Retro-Show konnte auf den rüstigen Herrn verzichten, der sich nach der Karriere über den zweiten Bildungsweg zum Realschullehrer für Werken, Kunst und natürlich Sport qualifizierte. Seit 1995 im Ruhestand, führte er zunächst sein beschauliches Leben in Bruchmühlbach-Miesau, Ortsteil Vogelbach, wo der Sportplatz nach ihm benannt ist, fort. Tennis und Fußball für Prominententeams spielte er noch lange. Das ist zwar vorbei, aber "nuff uff de Betze", zu seinem FCK, geht er immer noch - mit der Tochter. Selbst in der 3. Liga.

Er selbst hat nie so weit unten gespielt, nicht seit er den SC Vogelbach mit 16 Jahren verließ. Mit 19 stand er schon in der ersten Meistermannschaft der Kaiserslauterer anno 1951, 1953 kam die zweite Schale dazu. Die Karriere endete 1964 bei Röchling Völklingen, wo er ab 1959 spielte. Das Herz blieb immer beim FCK, für den er in 213 Spielen 64 Tore schoss. Seine professionelle Einstellung in Vorprofizeiten war sein Vorzug und sein Glück, hochtalentiert war er nicht. Er war ein "wie besessen hinter einem Ball herjagendes schmächtiges Bürschchen, das sich furchtlos mit größeren und stärkeren Jungs auseinandersetzt und seine körperlichen Nachteile durch große Wendigkeit, Lauffreudigkeit und eine für einen Knirps beachtliche Balltechnik auszugleichen versteht", schrieb Horst Lachmund im Buch "Der Mythos von Bern" (2004).

Walter und der "Windhund"

Das mit der Technik freilich entwickelte sich noch. Mit 15 durfte er mit ärztlicher Sondergenehmigung in der ersten Mannschaft des Sportklubs Vogelbach ran und schoss über 40 Tore - als Mittelstürmer. Allerdings in der C-Klasse. Als ihm einmal sechs Tore in einer Halbzeit gelangen, war zufällig Richard Schneider im Publikum, der Juniorentrainer und spätere Meistertrainer des 1. FCK. Der rief ihn schon am nächsten Montag an und bestellte ihn zum Probetraining. Das war 1949. Eckel kam mit dem Fahrrad - und wollte schon nach fünf Minuten wieder heim. Denn er konnte nur mit der Pike und der Innenseite schießen und war frustriert: "Ich wusste damals noch nicht, was ein Spannschlag ist, von der Beherrschung anderer Schusstechniken ganz zu schweigen. Ich dachte mir: Schnell zurück nach Vogelbach, diese Spielerei ist eine Nummer zu groß für dich."

Zum Glück war der Trainer anderer Meinung und empfahl ihn schon bald für die erste Mannschaft, die in der Oberliga spielte. Auch Eckels Debüt dort im Mai 1950 misslang völlig, aber der große Fritz Walter, der zweite wichtige Mann in seinem Leben, baute ihn auf: "Egal, wie das heute gelaufen ist, du bleibst bei uns und spielst weiter." Das trieb Eckel an, er legte Sonderschichten ein, spielte abends noch Tischtennis, um seine Reflexe zu verbessern, und fuhr morgens um sechs Uhr mit dem Zug nach Kaiserslautern, wo man ihn bei Nähmaschinen Pfaff eine Lehre als Feinmechaniker machen ließ.

Fritz Walter sorgte vor dem ersten Endrundenspiel 1951 für sein Comeback in der Ersten, denn "der Eckel spielt, der kann das, auch weil er gute Nerven hat". Seitdem blieb Eckel im Team, das damals den deutschen Fußball beherrschte. Sepp Herberger war ein genauer Beobachter der "Walter-Elf" und holte fünf aus ihr in seinen WM-Kader. Eckel, der schon im November 1952 mit gerade 20 gegen die Schweiz in Augsburg debütierte, war dabei. So wurde der "Windhund" Weltmeister, war als einziger neben Fritz Walter in allen sechs Partien dabei und wurde mit 2200 Mark honoriert.

"Bomber von Vogelbach"

Im offenen Wagen und von einer Musikkapelle begleitet, fuhren sie ihn von Kaiserslautern nach Vogelbach. Unvergessliche Tage. Als einer von nur noch vier Helden von Bern fuhr er 1958 mit zur WM nach Schweden (vierter Platz) und kam auf 32 Länderspiele. Dabei blieb der "Bomber von Vogelbach" übrigens torlos. Gegen die Türkei, betont er gern, traf er 1954 immerhin den Pfosten. Aber er hatte als Läufer andere Aufgaben, im Finale etwa musste er den gefürchteten Spielmacher Sandor Hidegkuti ausschalten. Es gelang.

Von all dem musste Horst Eckel oft erzählen, aber so lange Fritz Walter noch lebte, blieb er in seinem Schatten. Und das gern. Nie war Missgunst zwischen ihnen: "Die Freundschaft zwischen Fritz und mir ähnelte in den letzten Jahren fast schon einem innigen Vater-Sohn-Verhältnis." So hätte es bleiben können, sein Leben. Dann aber starb Fritz Walter im Juni 2002. Und die großen deutschen Fußballfeiertage kamen noch: erst 50 Jahre Bern, dann die WM im eigenen Land.

Regisseur Sönke Wortmann suchte einen Berater für sein Wunder von Bern, Eckel beriet. Der kicker brauchte einen Kolumnisten für ein Sonderheft zum Berner Wunder, Eckel schrieb seitenweise Kolumnen. Auch sein autobiografisches Buch zum Wunder entstand 2004, in dem Jahr erhielt er übrigens das Große Bundesverdienstkreuz. Beinahe das ganze Wissen der Neuzeit über die WM 1954 aus deutscher Sicht fußt auf den Erinnerungen von Horst Eckel. Er ist der letzte Zeuge, was nicht überrascht, schließlich war er 1954 ja mit 21 Jahren der jüngste Weltmeister.

Eckel kann gut erzählen und repräsentieren

Das war er irgendwie auch, als der Kölner Hans Schäfer, der 2017 verstarb, und Ottmar Walter (2013 gestorben), noch lebten. Sie hatten es nicht so mit den Medien, Walter ging es zudem schlecht. Also ließ man sie in Ruhe. Die letzten lebenden Reservisten waren nicht interessant genug, so ist das Geschäft seit jeher. Eckel hingegen war und ist ein Glücksfall, er kann nicht nur gut erzählen, sondern auch repräsentieren - auch seine Zeit. Mit seiner bescheidenen Art ist er ein authentisches Kind der Nachkriegszeit geblieben. Seit 62 Jahren ist er mit Hannelore verheiratet, 2007 schon feierten sie Goldene Hochzeit. Sie haben zwei Töchter, Dagmar und Susanne, und haben Vogelbach nie verlassen.

Um so einen bodenständigen Kerl riss man sich. Die Stadt Kaiserslautern suchte 2006 einen WM-Botschafter, Eckel wurde es. Ausstellungen mussten eröffnet werden, Eckel eröffnete, WM-Sponsoren brauchten Repräsentanten, Eckel repräsentierte. Er saß in den WM-Shows von Johannes B. Kerner und Jörg Pilawa und stand bei der Auslosung neben Heidi Klum. Bei der anschließenden Gala in Leipzig drängte sich Kanzlerin Angela Merkel zu ihm, um ihn wissen zu lassen, dass auch für sie 1954 ein besonderes Jahr gewesen sei, "da bin ich nämlich geboren". Das erzählen Frauen eher selten ungefragt. 2019 wurde eine Ausstellung über Sepp Herbergers Briefe im Deutschen Fußballmuseum zu Dortmund eröffnet, Eckel eröffnete. Wer auch sonst?

So Gott will, kommt noch die eine oder andere WM, vor der er von Bern erzählen können darf. Bei einer EM spielte er nie, aber nur weil es zu seiner Zeit noch keine gab. Trotzdem darf man jede Wette eingehen darauf, dass es im Frühsommer wieder etwas turbulenter im Hause Eckel zugehen wird.

[dfb]

Sein größtes Spiel ist seit mehr als 65 Jahren abgepfiffen, nur wenige haben ihn noch spielen sehen. Horst Eckel, der letzte lebende Held von Bern, der jüngste der legendären Weltmeister 1954, wird am heutigen Samstag 88 Jahre. Seine Popularität ist ungebrochen.

Beinahe möchte man sagen: Sie steigt mit dem Alter. Eckel hat eine eigene Homepage, man kann ihm auf Instagram und Twitter folgen, er ist bei Facebook. Nun gut, darum kümmert sich Tochter Dagmar, mit der er die Horst-Eckel-Stiftung gegründet hat. Diese dient der Bildungsförderung, denn "Bildung ist der Wegweiser zur erfolgreichen Berufslaufbahn", wird Eckel auf der Homepage zitiert. Das weiß der ehemalige Realschullehrer besser als manch anderer Kicker von gestern und von heute.

"Auch im Freundsein Weltmeister"

Seit drei Jahren hat er sogar seine eigene Gala, die jeden Mai im pfälzischen Morbach stattfindet, wo er einst ein Sporthotel betrieb. Das Fest wird von Prominenz aus Sport, Wirtschaft und Politik stark frequentiert, aber auch von seinen vielen Freunden. Eckel sei "auch im Freundsein Weltmeister", schrieb eine Zeitung mal. Der Erlös kommt seiner Stiftung zu.

Auch für die Stiftung des einen großen Mannes, der sein Leben geprägt hat, Ex-Bundestrainer Sepp Herberger (1977 verstorben), ist er noch aktiv. Soweit es die Kraft und die Gesundheit erlauben, besucht er seit Jahrzehnten schon Justizvollzugsanstalten und macht den meist jugendlichen Insassen Mut für ein Leben in Freiheit, das irgendwann wieder auf sie wartet. "Anstoß für ein neues Leben" heißt das Projekt, das ein Musterbeispiel für die Kraft des Fußballs weit über die Spielfeldbegrenzungen hinaus ist.

Eckel noch häufig "uff de Betze"

Horst Eckel also auf allen Kanälen, immer noch. Im Januar erst beim TV-Sender Sport1, der zu einem Hausbesuch vorbeikam. Menschen, die ein Wunder erlebt haben, und sei es nur eines im Fußball, denen hört man gerne zu. Selbst wenn sie nichts Neues mehr erzählen können. Eckel hat sein Wissen von der WM 1954 schon in ein Buch gepackt ("Die 84. Minute") und war vor der WM 2006 im eigenen Land der gefragteste Zeitzeuge. In jenen Monaten wurde Eckel, der in der ersten Elf von Bern ein unspektakulärer Fleißarbeiter mit dem Spitznamen "Windhund" war, noch auf seine alten Tage zum Medienstar, der irgendwann einen Berater brauchte zur Terminkoordination und zum Aushandeln von Honoraren. So was hatte der Spieler Eckel nie gelernt, und dem Menschen Eckel liegt es ohnehin nicht.

Wohl selten aber hat es ein Ex-Sportler über 70 Jahre auf so viele öffentliche Auftritte binnen weniger Wochen gebracht wie damals Eckel. Keine Retro-Show konnte auf den rüstigen Herrn verzichten, der sich nach der Karriere über den zweiten Bildungsweg zum Realschullehrer für Werken, Kunst und natürlich Sport qualifizierte. Seit 1995 im Ruhestand, führte er zunächst sein beschauliches Leben in Bruchmühlbach-Miesau, Ortsteil Vogelbach, wo der Sportplatz nach ihm benannt ist, fort. Tennis und Fußball für Prominententeams spielte er noch lange. Das ist zwar vorbei, aber "nuff uff de Betze", zu seinem FCK, geht er immer noch - mit der Tochter. Selbst in der 3. Liga.

Er selbst hat nie so weit unten gespielt, nicht seit er den SC Vogelbach mit 16 Jahren verließ. Mit 19 stand er schon in der ersten Meistermannschaft der Kaiserslauterer anno 1951, 1953 kam die zweite Schale dazu. Die Karriere endete 1964 bei Röchling Völklingen, wo er ab 1959 spielte. Das Herz blieb immer beim FCK, für den er in 213 Spielen 64 Tore schoss. Seine professionelle Einstellung in Vorprofizeiten war sein Vorzug und sein Glück, hochtalentiert war er nicht. Er war ein "wie besessen hinter einem Ball herjagendes schmächtiges Bürschchen, das sich furchtlos mit größeren und stärkeren Jungs auseinandersetzt und seine körperlichen Nachteile durch große Wendigkeit, Lauffreudigkeit und eine für einen Knirps beachtliche Balltechnik auszugleichen versteht", schrieb Horst Lachmund im Buch "Der Mythos von Bern" (2004).

Walter und der "Windhund"

Das mit der Technik freilich entwickelte sich noch. Mit 15 durfte er mit ärztlicher Sondergenehmigung in der ersten Mannschaft des Sportklubs Vogelbach ran und schoss über 40 Tore - als Mittelstürmer. Allerdings in der C-Klasse. Als ihm einmal sechs Tore in einer Halbzeit gelangen, war zufällig Richard Schneider im Publikum, der Juniorentrainer und spätere Meistertrainer des 1. FCK. Der rief ihn schon am nächsten Montag an und bestellte ihn zum Probetraining. Das war 1949. Eckel kam mit dem Fahrrad - und wollte schon nach fünf Minuten wieder heim. Denn er konnte nur mit der Pike und der Innenseite schießen und war frustriert: "Ich wusste damals noch nicht, was ein Spannschlag ist, von der Beherrschung anderer Schusstechniken ganz zu schweigen. Ich dachte mir: Schnell zurück nach Vogelbach, diese Spielerei ist eine Nummer zu groß für dich."

Zum Glück war der Trainer anderer Meinung und empfahl ihn schon bald für die erste Mannschaft, die in der Oberliga spielte. Auch Eckels Debüt dort im Mai 1950 misslang völlig, aber der große Fritz Walter, der zweite wichtige Mann in seinem Leben, baute ihn auf: "Egal, wie das heute gelaufen ist, du bleibst bei uns und spielst weiter." Das trieb Eckel an, er legte Sonderschichten ein, spielte abends noch Tischtennis, um seine Reflexe zu verbessern, und fuhr morgens um sechs Uhr mit dem Zug nach Kaiserslautern, wo man ihn bei Nähmaschinen Pfaff eine Lehre als Feinmechaniker machen ließ.

Fritz Walter sorgte vor dem ersten Endrundenspiel 1951 für sein Comeback in der Ersten, denn "der Eckel spielt, der kann das, auch weil er gute Nerven hat". Seitdem blieb Eckel im Team, das damals den deutschen Fußball beherrschte. Sepp Herberger war ein genauer Beobachter der "Walter-Elf" und holte fünf aus ihr in seinen WM-Kader. Eckel, der schon im November 1952 mit gerade 20 gegen die Schweiz in Augsburg debütierte, war dabei. So wurde der "Windhund" Weltmeister, war als einziger neben Fritz Walter in allen sechs Partien dabei und wurde mit 2200 Mark honoriert.

"Bomber von Vogelbach"

Im offenen Wagen und von einer Musikkapelle begleitet, fuhren sie ihn von Kaiserslautern nach Vogelbach. Unvergessliche Tage. Als einer von nur noch vier Helden von Bern fuhr er 1958 mit zur WM nach Schweden (vierter Platz) und kam auf 32 Länderspiele. Dabei blieb der "Bomber von Vogelbach" übrigens torlos. Gegen die Türkei, betont er gern, traf er 1954 immerhin den Pfosten. Aber er hatte als Läufer andere Aufgaben, im Finale etwa musste er den gefürchteten Spielmacher Sandor Hidegkuti ausschalten. Es gelang.

Von all dem musste Horst Eckel oft erzählen, aber so lange Fritz Walter noch lebte, blieb er in seinem Schatten. Und das gern. Nie war Missgunst zwischen ihnen: "Die Freundschaft zwischen Fritz und mir ähnelte in den letzten Jahren fast schon einem innigen Vater-Sohn-Verhältnis." So hätte es bleiben können, sein Leben. Dann aber starb Fritz Walter im Juni 2002. Und die großen deutschen Fußballfeiertage kamen noch: erst 50 Jahre Bern, dann die WM im eigenen Land.

Regisseur Sönke Wortmann suchte einen Berater für sein Wunder von Bern, Eckel beriet. Der kicker brauchte einen Kolumnisten für ein Sonderheft zum Berner Wunder, Eckel schrieb seitenweise Kolumnen. Auch sein autobiografisches Buch zum Wunder entstand 2004, in dem Jahr erhielt er übrigens das Große Bundesverdienstkreuz. Beinahe das ganze Wissen der Neuzeit über die WM 1954 aus deutscher Sicht fußt auf den Erinnerungen von Horst Eckel. Er ist der letzte Zeuge, was nicht überrascht, schließlich war er 1954 ja mit 21 Jahren der jüngste Weltmeister.

Eckel kann gut erzählen und repräsentieren

Das war er irgendwie auch, als der Kölner Hans Schäfer, der 2017 verstarb, und Ottmar Walter (2013 gestorben), noch lebten. Sie hatten es nicht so mit den Medien, Walter ging es zudem schlecht. Also ließ man sie in Ruhe. Die letzten lebenden Reservisten waren nicht interessant genug, so ist das Geschäft seit jeher. Eckel hingegen war und ist ein Glücksfall, er kann nicht nur gut erzählen, sondern auch repräsentieren - auch seine Zeit. Mit seiner bescheidenen Art ist er ein authentisches Kind der Nachkriegszeit geblieben. Seit 62 Jahren ist er mit Hannelore verheiratet, 2007 schon feierten sie Goldene Hochzeit. Sie haben zwei Töchter, Dagmar und Susanne, und haben Vogelbach nie verlassen.

Um so einen bodenständigen Kerl riss man sich. Die Stadt Kaiserslautern suchte 2006 einen WM-Botschafter, Eckel wurde es. Ausstellungen mussten eröffnet werden, Eckel eröffnete, WM-Sponsoren brauchten Repräsentanten, Eckel repräsentierte. Er saß in den WM-Shows von Johannes B. Kerner und Jörg Pilawa und stand bei der Auslosung neben Heidi Klum. Bei der anschließenden Gala in Leipzig drängte sich Kanzlerin Angela Merkel zu ihm, um ihn wissen zu lassen, dass auch für sie 1954 ein besonderes Jahr gewesen sei, "da bin ich nämlich geboren". Das erzählen Frauen eher selten ungefragt. 2019 wurde eine Ausstellung über Sepp Herbergers Briefe im Deutschen Fußballmuseum zu Dortmund eröffnet, Eckel eröffnete. Wer auch sonst?

So Gott will, kommt noch die eine oder andere WM, vor der er von Bern erzählen können darf. Bei einer EM spielte er nie, aber nur weil es zu seiner Zeit noch keine gab. Trotzdem darf man jede Wette eingehen darauf, dass es im Frühsommer wieder etwas turbulenter im Hause Eckel zugehen wird.

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