Thomas Müller: "Ich will gewinnen, Punkt."

Thomas Müller war einer der herausragenden Protagonisten der WM 2010. Mit seiner Unbekümmertheit, seinem Witz und seinem Charme hat er die Deutschen begeistert. Am meisten natürlich mit seiner Leistung und seinen Toren. Zwei Jahre sind seither vergangen, geändert hat sich nicht viel. Müller ist immer noch locker und unbekümmert, Müller ist immer noch Leistungsträger. Vor dem Halbfinale am Donnerstag spricht er mit DFB.de-Redakteur Steffen Lüdeke über das Spiel gegen Italien, Spiele gegen Italien und das Land Italien.

DFB.de: Herr Müller, haben Sie gestern Abend das Viertelfinale zwischen England und Italien gesehen?

Thomas Müller: Ja, klar. Wir haben hier viel Zeit, und es gibt auch nicht jeden Tag ein EM-Viertelfinale zwischen Italien und England zu sehen. Es war ein sehr interessantes Spiel und für die Zuschauer auch attraktiv.

DFB.de: Weil Italien offensiver gespielt hat, als vorher erwartet worden war...

Müller: ...die Engländer haben ihren Teil beigetragen, weil sie sehr wenig Mittel hatten. Und trotzdem hatten auch sie große Tormöglichkeiten. Das Spiel ging zwar 0:0 aus, aber beide Teams hätten einige Tore erzielen können. Insgesamt ist Italien hochverdient ins Halbfinale eingezogen.

DFB.de: Dort kommt es zum Klassiker gegen Deutschland. Wissen Sie noch, was Sie vor sechs Jahren gemacht haben, als Deutschland bei der Heim-WM im Halbfinale gegen Italien gespielt hat?

Müller: Ich habe das Spiel in einer größeren Runde geschaut, es war eine Art privates Public Viewing. Und es war bitter. Fabio Grosso hat die deutschen Träume beim Sommermärchen zerstört.

DFB.de: Ist Ihnen bekannt, was sich hinter dem Begriff "Jahrhundert-Spiel" verbirgt?



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Thomas Müller war einer der herausragenden Protagonisten der WM 2010. Mit seiner Unbekümmertheit, seinem Witz und seinem Charme hat er die Deutschen begeistert. Am meisten natürlich mit seiner Leistung und seinen Toren. Zwei Jahre sind seither vergangen, geändert hat sich nicht viel. Müller ist immer noch locker und unbekümmert, Müller ist immer noch Leistungsträger. Vor dem Halbfinale am Donnerstag spricht er mit DFB.de-Redakteur Steffen Lüdeke über das Spiel gegen Italien, Spiele gegen Italien und das Land Italien.

DFB.de: Herr Müller, haben Sie gestern Abend das Viertelfinale zwischen England und Italien gesehen?

Thomas Müller: Ja, klar. Wir haben hier viel Zeit, und es gibt auch nicht jeden Tag ein EM-Viertelfinale zwischen Italien und England zu sehen. Es war ein sehr interessantes Spiel und für die Zuschauer auch attraktiv.

DFB.de: Weil Italien offensiver gespielt hat, als vorher erwartet worden war...

Müller: ...die Engländer haben ihren Teil beigetragen, weil sie sehr wenig Mittel hatten. Und trotzdem hatten auch sie große Tormöglichkeiten. Das Spiel ging zwar 0:0 aus, aber beide Teams hätten einige Tore erzielen können. Insgesamt ist Italien hochverdient ins Halbfinale eingezogen.

DFB.de: Dort kommt es zum Klassiker gegen Deutschland. Wissen Sie noch, was Sie vor sechs Jahren gemacht haben, als Deutschland bei der Heim-WM im Halbfinale gegen Italien gespielt hat?

Müller: Ich habe das Spiel in einer größeren Runde geschaut, es war eine Art privates Public Viewing. Und es war bitter. Fabio Grosso hat die deutschen Träume beim Sommermärchen zerstört.

DFB.de: Ist Ihnen bekannt, was sich hinter dem Begriff "Jahrhundert-Spiel" verbirgt?

Müller: Das war das Spiel bei der WM 1970 in Mexiko, als Deutschland gegen Italien mit 3:4 verloren hat. "Kaiser Franz" mit seiner Armschlinge, ein paar Bilder von diesem Spiel habe ich in späteren Jahren gesehen - und nicht vergessen. Ich weiß, dass es zwischen Deutschland und Italien auf dem Fußballplatz schon einige bedeutende Duelle gegeben hat. Ich weiß aber auch, dass für den Spielausgang am Donnerstag nicht relevant ist, was früher war.

DFB.de: Sie leben in der Nähe der nördlichsten Stadt Italiens. Welche Assoziationen haben Sie ganz generell, wenn Sie an Italien denken?

Müller: Ich habe dort schon häufig Urlaub gemacht. Ich mag das Essen, das ist wichtig für mich. (lacht) Wir waren oft am Gardasee, manchmal auch an der Adria-Küste. Ein paar Brocken italienisch spreche ich deswegen, die Standard-Floskeln, Danke, Bitte, solche Sachen.

DFB.de: Sie sind bekannt für Ihre Lockerheit, dafür, dass Sie auch kurz vor dem Spiel noch Scherze machen. Ist das völlig unabhängig vom Spiel? Gibt es Unterschiede zwischen Nationalmannschaft und Verein?

Müller: Ich mache das nicht bewusst. Egal gegen wen wir spielen: Ich bin halt nicht der Typ, der voller Konzentration nur geradeaus an die Wand starrt. Jeder verhält sich vor den Spielen anders. Vor dem Anpfiff bin ich für alles zu haben, mit Spielbeginn bin ich dann voll konzentriert.

DFB.de: Nervt es mittlerweile, dass die Menschen immer erwarten, dass von Thomas Müller ein lustiger Spruch kommt?

Müller: Nein. Ich selber spüre keinen Druck, dass es immer lustig werden muss, wenn ich ein Interview gebe oder auf dem Podium einer Pressekonferenz sitze. In der Vergangenheit gab es mitunter etwas zu lachen, aber das muss ja nicht immer so sein. Ich bin bestimmt kein Pausenclown. Auf meiner letzten Pressekonferenz gab es beispielsweise auch ein Thema, das mich gestört hat. Ich habe das dann angesprochen. Dass alle das lustig fanden, glaube ich nicht.

DFB.de: Sie haben sich über die aus Ihrer Sicht zu negative Berichterstattung über die Leistungen der deutschen Mannschaft bei der EM in Polen und der Ukraine beklagt.

Müller: Beklagen würde ich das nicht nennen, ich bin ja hier nicht der Chefkritiker. Ich habe nur meine Gedanken geäußert.

DFB.de: Sie haben auch die hervorragende Stimmung in Deutschland und die Begeisterung auf den Straßen angesprochen. Wie viel bekommt die Mannschaft davon im Teamquartier in Polen tatsächlich mit?

Müller: Das Trainerteam hat uns ganz bewusst die Bilder von der Begeisterung in Deutschland gezeigt. Auch über das Fernsehen bekommen wir natürlich mit, was in der Heimat los ist. Wir registrieren die Bilder der Fanmeilen und die Freude auf den Straßen. Es ist ein schönes Gefühl, zu wissen, dass die ganze Nation hinter uns steht.

DFB.de: Man sieht Sie nach dem Training noch häufig zwischen den Pfosten stehen, wo sie als Torwart Ihr Glück versuchen. Warum machen Sie das?

Müller: Ich habe früher zu Hause mit meinem Bruder im Garten Fußball gespielt. Da war die Rollenverteilung so, dass ich im Tor war und er geschossen hat. Wahrscheinlich, weil ich der ältere war und er nie einen Ball gehalten hätte, wenn ich voll draufgehalten hätte. Mir hat es Spaß gemacht, deswegen mache ich das auch heute hin und wieder. Ich habe mich immer schon gerne im Dreck gesuhlt. (lacht)

DFB.de: Was macht Ihnen mehr Spaß: Ein Tor erzielen, ein Tor vorbereiten oder als Torwart ein Tor verhindern?

Müller: Die größten Emotionen erlebt man, wenn man ein Tor schießt. Die Wichtigkeit einer Vorbereitung oder auch einer Rettungstat geht dagegen immer ein wenig unter. Über einen schönen Pass freue ich mich auch, aber selber ein Tor schießen - das ist schon das Größte.

DFB.de: Sie bringen die Menschen häufig zum Lachen, auch hier bei der Nationalmannschaft. Über welchen Mitspieler können Sie am meisten lachen?

Müller: Über wen, das klingt ja, als ob ich jemanden auslachen würde...

DFB.de: ... dann mit wem?

Müller: Mit wem ist viel besser. Mit vielen. Wir haben einige lustige Menschen dabei, das ganze Team ist eigentlich ziemlich witzig. Und es würde einigen nicht gerecht, wenn ich jetzt jemanden als besonders lustig hervorheben würde. Wir haben hier insgesamt viel Spaß, die Stimmung in der Mannschaft ist sehr gut, wir lachen viel.

DFB.de: Wann vergeht Ihnen das Lachen?

Müller: Wenn wir gegen Italien ausscheiden würden.

DFB.de: Und abseits des Sportlichen?

Müller: Wenn es mir oder einem mir wichtigen Menschen aus gesundheitlichen oder anderen Gründen nicht gut geht.

DFB.de: Sie engagieren sich für das Projekt "Young Wings", eine Initiative, die Kindern und Jugendlichen hilft, die ihre Eltern oder andere wichtige Bezugspersonen verloren haben. Warum unterstützen Sie gerade dieses Projekt?

Müller: Durch die WM in Südafrika habe ich einen gewissen Bekanntheitsgrad gewonnen. Daraus erwächst auch eine Verpflichtung. Ich bin für Kinder und Jugendliche Vorbild, auch wenn ich mir dieser Tatsache noch immer nicht ständig bewusst bin. Aber natürlich habe ich das Gefühl, dass ich etwas zurückgeben muss. Es gibt sehr viele Initiativen, die unterstützenswert sind. "Young Wings" habe ich ausgewählt, weil sich für das Thema noch keine bekannte Persönlichkeit engagiert und nur wenigen bewusst ist, wie viele Waisen es in Deutschland gibt. Wichtig war für mich auch, dass der erste Kontakt mit "Young Wings" sehr freundlich und nett war. Ich hatte sofort ein gutes Gefühl, auch weil meine Ansprechpartner verstanden haben, welches Engagement für mich leistbar ist und dass ich im Hauptberuf immer noch Fußballprofi bin.

DFB.de: Sehen Sie sich eigentlich immer noch als Kind? Das haben Sie kurz nach der WM 2010 gesagt...

Müller: Ich bin reifer geworden, erwachsener. Ich habe viele Dinge mitbekommen, in den zwei Jahren ist viel passiert. Ich habe gelernt, mit dem Trubel umzugehen. Ob ich deswegen erwachsen geworden bin? Ich glaube, dass ich, auch wenn ich 50 bin, in manchen Situationen noch immer ein Kindskopf sein werde. Das wird sich wohl nie ändern...

DFB.de: Sie haben nach der WM auch die Schattenseiten des Ruhms kennengelernt. Stimmt der Eindruck, dass sie medial inzwischen weniger Termine wahrnehmen?

Müller: Es ist fast unmöglich, sich den Medien total zu verweigern. Außerdem ist mir bewusst, dass wir Spieler auch von den Medien profitieren. Ich habe bisher auch noch nichts gemacht, bei dem ich ein schlechtes Gefühl hatte. Ich weiß, wo die Grenzen sind und sage stopp, wenn es mir zu viel wird und mir etwas zu weit geht.

DFB.de: Bei der WM 2010 hatten Sie noch keine eigene Homepage, auch auf Facebook waren Sie nicht vertreten. Mittlerweile haben Sie beides. Warum?

Müller: Mir sind meine Fans wichtig, deswegen ist es auch wichtig, dass ich Medien habe, mit denen ich die Fans bedienen und mit ihnen in Kontakt treten kann. Mir ist es ein Bedürfnis. Dafür sind die Homepage und Facebook gute Plattformen.

DFB.de: Auf Facebook haben Sie gestern gepostet, dass die Mannschaft nach den vier Siegen in Serie sehr selbstbewusst ist. Wie optimistisch sind Sie für das Spiel gegen Italien?

Müller: Wir sind gut drauf, wir haben im Laufe des Turniers gezeigt, was wir können. Und das gegen Topmannschaften wie Portugal und die Niederlande. Es waren zwei wichtige Siege, zwei tolle Erlebnisse, über die wir uns in der Mannschaft sehr gefreut haben. Auch gegen Griechenland haben wir unsere Aufgabe gut gelöst. Es wird nicht leicht gegen Italien, aber man kann auch nicht erwarten, dass man im Halbfinale eines großen Turniers auf eine schlechte Mannschaft trifft.

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DFB.de: Diesmal dürfen Sie mitspielen, beim letzten Halbfinale eines großen Turniers waren Sie zum Zuschauen verdammt. Bei der WM 2010 in Südafrika mussten Sie gegen Spanien eine Gelbsperre absitzen.

Müller: Ich hoffe, dass ich diesmal mitspielen kann. (lacht) Das ist ja noch nicht gesagt. Mal gucken, wie der Trainer sich entscheidet.

DFB.de: Haben Sie einen Wunschgegner für ein mögliches Finale?

Müller: Ob nun Portugal oder Spanien, das sind beides harte Nüsse. Aber wenn ich es mir schon aussuchen kann: Ich will nicht unbedingt gegen den amtierenden Welt- und Europameister spielen.

DFB.de: Aber gegen Spanien gibt es außerdem noch etwas gutzumachen. Die Niederlagen im EM-Finale 2008 und WM-Halbfinale 2010...

Müller: Nur weil man noch eine Rechnung offen hat, hat man das Spiel noch lange nicht gewonnen. Wenn ein Drittligist fünfmal in Folge im DFB-Pokal gegen einen Erstligisten verloren hat, dann wünscht er sich beim sechsten Mal nicht wieder den Erstligisten, nur weil sie etwas gutzumachen haben. Im Vergleich Spanien und Deutschland stimmt dieser Vergleich natürlich nicht, weil wir viel enger zusammen liegen.

DFB.de: Liegt Spanien denn noch vorne?

Müller: Wir sind in der Weltrangliste hinter ihnen.

DFB.de: Ist dann eine relevante Größe?

Müller: Es ist immer schwer zu sagen, wer besser oder schlechter ist. Wenn überhaupt, lässt sich das im direkten Duell feststellen. Wir haben gegen Spanien die vergangenen beiden Spiele verloren, und gegen die Portugiesen haben wir in der Vorrunde gezeigt, dass wir sie schlagen können. Wenn wir im Finale stehen, gibt es nur ein Ziel: Ich will gewinnen. Punkt. Der Gegner spielt da keine Rolle. Wir müssen jetzt aber erstmal Italien schlagen, danach kann uns - hoffentlich - nichts mehr stoppen.

DFB.de: Was würde es Ihnen persönlich bedeuten, wenn Sie am 1. Juli in Kiew den Pokal in den Händen halten würden?

Müller: Ich bin bereits Deutscher Meister und Pokalsieger geworden. Aber die drei größten Titel, die ein Fußballer gewinnen kann, sind Champions League, Europameisterschaft und Weltmesiterschaft. Ich habe jetzt zwei Mal den Erfolg in der Königsklasse knapp verpasst, in dieser Saison sind wir mit Bayern dreimal Zweiter geworden. Das reicht jetzt langsam. Von zweiten Plätzen habe ich genug.