Rekorde in Granada: Drei Elfer für Albanien und Kirstens Joker-Hattrick

Vom ehemaligen Bundestrainer Berti Vogts stammt der Satz: "Es gibt keine Kleinen mehr." Den schien er vor dem WM-Qualifikationsspiel gegen Albanien heute vor 23 Jahren vergessen zu haben, denn da wurde er so zitiert: "Die Ausgangslage ist wie vor einem Pokalspiel zwischen einem Bundesliga- und einem Regionalligaklub." Immerhin wies Vogts darauf hin: "Da sind Überraschungen möglich, wir dürfen uns nicht überraschen lassen!"

Das gelang nicht so ganz in einem der denkwürdigsten Länderspiele der DFB-Historie, das zwei offizielle und einen inoffiziellen Rekord hervorbrachte - und einen Helden des Tages, der im Gespräch mit DFB.de allerdings zugab, nicht mehr allzu viel zu wissen vom 2. April 1997.

Anstoß vor kleiner Kulisse in Granada

Der Reihe nach: Auf dem Weg zur WM 1998 nach Frankreich musste Europameister Deutschland sich in einer Sechsergruppe durchsetzen. Traditionell war das immer gelungen, diesmal aber gab es leichte Bedenken. Nur eine der ersten drei Partien wurde gewonnen, in der allerdings "schiefen" Tabelle war die DFB-Auswahl nur Vierter. Gegner Albanien zierte das Ende und hatte einen besonders großen Nachteil: Wegen des damals tobenden Bürgerkriegs musste es seine Heimspiele auf neutralem Boden austragen - in Granada, im Süden Spaniens. Bekannt für seine mittelalterliche Architektur aus der Zeit der maurischen Besatzung und deshalb auch bei Touristen aus aller Welt sehr beliebt.

Diesem Umstand war es zu verdanken, dass das Länderspiel im Stadion Nuevo Los Carmenes kein Geisterspiel wurde. Die geschätzten 5000 Zuschauer waren vorwiegend deutsche Touristen und bildeten die bis dahin zumindest inoffiziell kleinste Kulisse bei einem WM-Qualifikationsspiel, jedenfalls war das die zunächst publizierte Zahl. Später war von 8000 die Rede, dann hätten Gastspiele in Zypern und Finnland noch darunter gelegen. Seit November 2016 steht der Minusrekord bei 3851 - beim deutschen 8:0 in San Marino.

Einfacher zu bestimmen waren die anderen Rekorde, die das Spiel ergab. Schon nach 15 Minuten verursachte Torwart Andreas Köpke einen Elfmeter, als er den Berliner Zweitligastürmer Altin Rraklli legte - und parierte. Da konnte niemand ahnen, dass das nur der Auftakt eines Elfmeterfestivals war, denn die Albaner erhielten nach der Pause zwei weitere. Drei Elfmeter wurden nie zuvor - und auch danach nicht mehr - gegen eine deutsche Nationalmannschaft verhängt. Der belgische Referee Michel Piraux war für dieses Novum mitverantwortlich, und glaubt man der Fachpresse war zumindest der zweite, der Albanien nach 62 Minuten in Führung brachte, "eine Schwalbe" von Haxhi.

Kirsten mit Dreierpack: "Das war natürlich sehr gut"

Für Vogts war es das Signal, seiner Mannschaft einen Schuss Aggressivität zu verabreichen: Er wechselte Ulf Kirsten ein. Der Leverkusener Stürmer (13 Saisontore bis dahin) hatte eine Mittelfußverletzung, war deshalb am Wochenende schon fitgespritzt worden und konnte nicht über 90 Minuten gehen, zumal der Paradesturm jener Tage aus Jürgen Klinsmann und Oliver Bierhoff bestand. Aber auch sie trafen nicht in Granada, und deshalb musste Kirsten ran. Er kam für den Bremer Dieter Eilts, Deutschland spielte nun mit drei Mittelstürmern.

Was dann geschah, ließe sich lang und breit ausführen. Man kann es aber auch im sachlichen Stil des Ulf Kirsten tun: "Ich bin eingewechselt worden, so nach 70 Minuten, und habe dann irgendwie drei Tore gemacht. Für mich war das natürlich sehr gut." Präzise kam er nach 62 Minuten und traf mit dem ersten Ballkontakt per Kopf zum 1:1 (63.). Er erhöhte mit selbigem auf 2:1 (80.) und drückte mit dem Fuß den Ball zum 3:1 (84.) über die Linie. Dann holte sich "der Schwatte" noch eine Gelbe Karte ab, womit er fürs nächste Spiel gesperrt war. Berti Vogts sollte sich bestätigt sehen: "Ulf Kirsten ist ein aggressiver Spieler, der sich viel bewegt und im Moment viel Selbstvertrauen hat. Deshalb habe ich ihn gebracht."

Schnellster Joker-Hattrick der DFB-Geschichte - für vier Monate

Dass Bayern Münchens Linksfuß Christian Ziege alle Tore direkt oder indirekt vorbereitete, weiß Kirsten heute übrigens nicht mehr, wie er gegenüber DFB.de gestand, "aber wir verstanden uns immer gut".

Für Kirsten, da macht er angesichts von 100 Länderspielen (49 für die DDR) keinen Hehl draus, hat es bedeutendere Spiele gegeben, "an die man sich dann auch besser erinnert. Meine Spiele gegen Brasilien etwa waren echte Highlights, obwohl es nur Freundschaftsspiele waren." Albanien aber war bitterer Ernst, und "zum Glück haben wir das dann noch gewonnen, es wäre eine große Blamage gewesen."

Kirstens Hattrick stellte die Anzeige binnen 21 Minuten von 0:1 auf 3:1. Damit löste er den Kölner Dieter Müller als den Nationalspieler mit dem schnellsten Joker-Hattrick ab, nach 21 Jahren. Ulf Kirsten behielt seinen Rekord nur vier Monate, schon im August 1997 raubte ihm Oliver Bierhoff diese Ehre, als er in Belfast nur sieben Minuten brauchte.

Vogts: "Gegen Albanien immer schwergetan"

Wie bitter nötig Kirstens Hattrick war, zeigte sich noch. Er reichte gerade so zum Sieg gegen den Fußballzwerg, denn nach einem Foul des Bochumers Dariusz Wosz in der Schlussminute gab es einen dritten Elfmeter für Albanien, den erneut Kola verwandelte. Dann war das äußerst denkwürdige Spiel, in dem Albanien auch einen Spieler des hessischen Fünftligisten Viktoria Griesheim einsetzte, zu Ende.

Vogts schnaufte durch und erinnerte plötzlich wieder an die Gefahr, die von den Kleinen ausgeht: "Gegen Albanien haben wir uns immer schwergetan, das kann man der Mannschaft noch so oft sagen. Uns fehlte die nötige Aggressivität, erst nach dem 0:1 ist die Mannschaft an ihre Grenzen gegangen." Erst, als Kirsten kam…

Die deutsche Aufstellung: Köpke – Sammer – Kohler, Helmer – Reuter (61. Heinrich), Eilts (62. Kirsten), Ziege – Möller, Wosz – Bierhoff, Klinsmann.

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Vom ehemaligen Bundestrainer Berti Vogts stammt der Satz: "Es gibt keine Kleinen mehr." Den schien er vor dem WM-Qualifikationsspiel gegen Albanien heute vor 23 Jahren vergessen zu haben, denn da wurde er so zitiert: "Die Ausgangslage ist wie vor einem Pokalspiel zwischen einem Bundesliga- und einem Regionalligaklub." Immerhin wies Vogts darauf hin: "Da sind Überraschungen möglich, wir dürfen uns nicht überraschen lassen!"

Das gelang nicht so ganz in einem der denkwürdigsten Länderspiele der DFB-Historie, das zwei offizielle und einen inoffiziellen Rekord hervorbrachte - und einen Helden des Tages, der im Gespräch mit DFB.de allerdings zugab, nicht mehr allzu viel zu wissen vom 2. April 1997.

Anstoß vor kleiner Kulisse in Granada

Der Reihe nach: Auf dem Weg zur WM 1998 nach Frankreich musste Europameister Deutschland sich in einer Sechsergruppe durchsetzen. Traditionell war das immer gelungen, diesmal aber gab es leichte Bedenken. Nur eine der ersten drei Partien wurde gewonnen, in der allerdings "schiefen" Tabelle war die DFB-Auswahl nur Vierter. Gegner Albanien zierte das Ende und hatte einen besonders großen Nachteil: Wegen des damals tobenden Bürgerkriegs musste es seine Heimspiele auf neutralem Boden austragen - in Granada, im Süden Spaniens. Bekannt für seine mittelalterliche Architektur aus der Zeit der maurischen Besatzung und deshalb auch bei Touristen aus aller Welt sehr beliebt.

Diesem Umstand war es zu verdanken, dass das Länderspiel im Stadion Nuevo Los Carmenes kein Geisterspiel wurde. Die geschätzten 5000 Zuschauer waren vorwiegend deutsche Touristen und bildeten die bis dahin zumindest inoffiziell kleinste Kulisse bei einem WM-Qualifikationsspiel, jedenfalls war das die zunächst publizierte Zahl. Später war von 8000 die Rede, dann hätten Gastspiele in Zypern und Finnland noch darunter gelegen. Seit November 2016 steht der Minusrekord bei 3851 - beim deutschen 8:0 in San Marino.

Einfacher zu bestimmen waren die anderen Rekorde, die das Spiel ergab. Schon nach 15 Minuten verursachte Torwart Andreas Köpke einen Elfmeter, als er den Berliner Zweitligastürmer Altin Rraklli legte - und parierte. Da konnte niemand ahnen, dass das nur der Auftakt eines Elfmeterfestivals war, denn die Albaner erhielten nach der Pause zwei weitere. Drei Elfmeter wurden nie zuvor - und auch danach nicht mehr - gegen eine deutsche Nationalmannschaft verhängt. Der belgische Referee Michel Piraux war für dieses Novum mitverantwortlich, und glaubt man der Fachpresse war zumindest der zweite, der Albanien nach 62 Minuten in Führung brachte, "eine Schwalbe" von Haxhi.

Kirsten mit Dreierpack: "Das war natürlich sehr gut"

Für Vogts war es das Signal, seiner Mannschaft einen Schuss Aggressivität zu verabreichen: Er wechselte Ulf Kirsten ein. Der Leverkusener Stürmer (13 Saisontore bis dahin) hatte eine Mittelfußverletzung, war deshalb am Wochenende schon fitgespritzt worden und konnte nicht über 90 Minuten gehen, zumal der Paradesturm jener Tage aus Jürgen Klinsmann und Oliver Bierhoff bestand. Aber auch sie trafen nicht in Granada, und deshalb musste Kirsten ran. Er kam für den Bremer Dieter Eilts, Deutschland spielte nun mit drei Mittelstürmern.

Was dann geschah, ließe sich lang und breit ausführen. Man kann es aber auch im sachlichen Stil des Ulf Kirsten tun: "Ich bin eingewechselt worden, so nach 70 Minuten, und habe dann irgendwie drei Tore gemacht. Für mich war das natürlich sehr gut." Präzise kam er nach 62 Minuten und traf mit dem ersten Ballkontakt per Kopf zum 1:1 (63.). Er erhöhte mit selbigem auf 2:1 (80.) und drückte mit dem Fuß den Ball zum 3:1 (84.) über die Linie. Dann holte sich "der Schwatte" noch eine Gelbe Karte ab, womit er fürs nächste Spiel gesperrt war. Berti Vogts sollte sich bestätigt sehen: "Ulf Kirsten ist ein aggressiver Spieler, der sich viel bewegt und im Moment viel Selbstvertrauen hat. Deshalb habe ich ihn gebracht."

Schnellster Joker-Hattrick der DFB-Geschichte - für vier Monate

Dass Bayern Münchens Linksfuß Christian Ziege alle Tore direkt oder indirekt vorbereitete, weiß Kirsten heute übrigens nicht mehr, wie er gegenüber DFB.de gestand, "aber wir verstanden uns immer gut".

Für Kirsten, da macht er angesichts von 100 Länderspielen (49 für die DDR) keinen Hehl draus, hat es bedeutendere Spiele gegeben, "an die man sich dann auch besser erinnert. Meine Spiele gegen Brasilien etwa waren echte Highlights, obwohl es nur Freundschaftsspiele waren." Albanien aber war bitterer Ernst, und "zum Glück haben wir das dann noch gewonnen, es wäre eine große Blamage gewesen."

Kirstens Hattrick stellte die Anzeige binnen 21 Minuten von 0:1 auf 3:1. Damit löste er den Kölner Dieter Müller als den Nationalspieler mit dem schnellsten Joker-Hattrick ab, nach 21 Jahren. Ulf Kirsten behielt seinen Rekord nur vier Monate, schon im August 1997 raubte ihm Oliver Bierhoff diese Ehre, als er in Belfast nur sieben Minuten brauchte.

Vogts: "Gegen Albanien immer schwergetan"

Wie bitter nötig Kirstens Hattrick war, zeigte sich noch. Er reichte gerade so zum Sieg gegen den Fußballzwerg, denn nach einem Foul des Bochumers Dariusz Wosz in der Schlussminute gab es einen dritten Elfmeter für Albanien, den erneut Kola verwandelte. Dann war das äußerst denkwürdige Spiel, in dem Albanien auch einen Spieler des hessischen Fünftligisten Viktoria Griesheim einsetzte, zu Ende.

Vogts schnaufte durch und erinnerte plötzlich wieder an die Gefahr, die von den Kleinen ausgeht: "Gegen Albanien haben wir uns immer schwergetan, das kann man der Mannschaft noch so oft sagen. Uns fehlte die nötige Aggressivität, erst nach dem 0:1 ist die Mannschaft an ihre Grenzen gegangen." Erst, als Kirsten kam…

Die deutsche Aufstellung: Köpke – Sammer – Kohler, Helmer – Reuter (61. Heinrich), Eilts (62. Kirsten), Ziege – Möller, Wosz – Bierhoff, Klinsmann.

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