Martina Voss-Tecklenburg: "Nicht unsere besten Leistungen"

Mit einem Sieg (1:0) gegen die Niederlande sowie einer Niederlage (1:2) gegen Brasilien hat die deutsche Frauen-Nationalmannschaft die Länderspielphase im April abgeschlossen. Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg spricht im DFB.de-Interview über wichtige WM-Erkenntnisse, nächste Schritte und einen emotionalen Abschied in Nürnberg.

DFB.de: Frau Voss-Tecklenburg, wie fällt Ihr Fazit zu den beiden Länderspielen aus?

Martina Voss-Tecklenburg: Wir haben sicherlich nicht unsere besten Leistungen gebracht. Zwar haben wir das Spiel in den Niederlanden mit 1:0 gewonnen, jedoch waren wir nicht die bessere Mannschaft. Wir haben dennoch mit viel Energie, Intensität und Leidenschaft das Tor erzielt und gut verteidigt, mit überragenden Torhüterinnen-Leistungen. Das Spiel gegen Brasilien hat aufgezeigt, wo wir aktuell noch Mühe haben.

DFB.de: Nämlich?

Voss-Tecklenburg: Uns ist es nicht gelungen, sicher in den Spielaufbau zu kommen und mutig zu agieren. Wir haben viel nach hinten gespielt und teilweise etwas hilflos gewirkt. Wir müssen wieder Stabilität, Mut und Sicherheit in unser Spiel kriegen. Auch hinsichtlich der Widerstandfähigkeit und Zweikampfhärte hat uns Brasilien gezeigt, was Mannschaften mit dieser DNA in ein Spiel einbringen können. Neben fußballerischen Fähigkeiten verfügen sie über eine hohe mentale und physische Bereitschaft, offensiv wie defensiv. Von daher bin ich sehr froh, dass wir diese beiden Länderspiele auf internationalem Topniveau absolvieren konnten. Beide haben uns klar aufgezeigt, worauf wir uns im Sommer vorbereiten müssen. Auch im taktischen Bereich werden wir noch mal viel Zeit auf dem Platz verbringen und alles bestmöglich in Trainingsinhalte umsetzen.

DFB.de: Sie haben im Vorfeld der beiden Länderspiele betont, dass Sie nochmal möglichst vielen Spielerinnen die Möglichkeit geben wollen, sich zu zeigen. Welche Erkenntnisse haben Ihnen die Begegnungen dahingehend geliefert?

Voss-Tecklenburg: Es war wichtig, viele Spielerinnen nochmal auf diesem internationalen Niveau spielen zu sehen. Auch um herauszufinden, wie wir unter bestimmten personellen Besetzungen Spielweisen anpassen und verändern müssen. Die Stärken jeder Spielerin sollen bestmöglich eingebracht werden. Uns war wichtig, zu sehen, in welchen Themen wir uns weiterentwickeln müssen – die Spielerinnen individuell, aber auch als gesamte Mannschaft. Wir wollten während der Maßnahme hinsichtlich der Spielbelastung auch Rücksicht auf die Vereine nehmen. Die Spielerinnen hatten zum Teil mit kleineren Blessuren zutun und leider mussten auch zwei von ihnen verletzungsbedingt abreisen. Ich sehne mir daher auch für die Spielerinnen die Sommerpause herbei. Sie sollen mal zwei Wochen komplett rauskommen und die Möglichkeit haben, nicht über Fußball und Trainingspläne nachzudenken. Wir im Trainer*innenteam werden analysieren, woran es zu arbeiten gilt. Mit den Spielerinnen werden wir auch noch in Gespräche und Einzelanalysen gehen.

DFB.de: Trotz der Niederlage gegen Brasilien war es ein sehr emotionaler Abend in Nürnberg. Dzsenifer Marozsán hat ein letztes Mal für Deutschland gespielt. Wie sehr hat es Sie als Trainerin berührt, die ihre Reise rund vier Jahre begleitet hat?

Voss-Tecklenburg: Für mich war es bereits am Vorabend des Spiels emotional, als ich mit ihr gesprochen haben. Es war ein besonderer Moment, als ich sie dann auf dem Platz umarmen konnte. Auch hat es mich berührt, zu sehen, wie sehr sie diese gemeinsamen Momente mit der Familie emotional ergriffen haben. Nach Abpfiff war ich gedanklich erstmal bei dem Spiel und unserer Leistung, mit der wir nicht zufrieden waren. Neben der Unzufriedenheit über das Spiel einerseits, war es jedoch schön, sich anschließend auch auf diese zu Recht gebührende Verabschiedung von Maro zu konzentrieren und emotional ein wenig abzulenken.

DFB.de: Neben der Verabschiedung gab es auch ein Comeback. Melanie Leupolz stand erstmals nach ihrer Schwangerschaft wieder im Nationalmannschaftstrikot auf dem Platz.

Voss-Tecklenburg: Für uns war es spannend, Melly (Melanie Leupolz; Anm. d. Red.) neu zu erleben. Wenn du Mutter wirst, verändert es dich. Das hat man gespürt. Sie ruht sehr in sich und hat ein klares Bild davon, wie sie mit ihrer Rolle als Mutter und Profifußballerin umgeht. Das hat mich sehr beeindruckt. Neben dem, was sie fußballerisch bereits in Chelsea gezeigt hat, ist sie auf einem sehr guten Weg. Durch den Nasenbeinbruch war es für sie herausfordernd mit der Maske zu trainieren und zu spielen. Das hat sie im Rahmen ihrer Möglichkeiten bestmöglich gelöst. Man hat in der ein oder anderen Situation im Spiel gesehen, dass sie sich erstmal an die Maske gewöhnen muss, da das Blickfeld eingeschränkt ist. Das ist aber völlig normal. Insgesamt hat sie einen sehr gefestigten Eindruck gemacht. Ich freue mich sehr für sie und glaube, dass sie als Persönlichkeit nochmal gewachsen ist, seit sie Mutter geworden ist. Ich hoffe, dass sie nun gesund bleibt und weiterhin konstant ihre Leistung im Verein zeigt.  

DFB.de: Das Spiel gegen Brasilien fand vor einer beeindruckenden Kulisse statt. 32.587 Zuschauerinnen und Zuschauer waren im Max-Morlock-Stadion. Wie haben Sie die Kulisse erlebt?

Voss-Tecklenburg: Die Stimmung war toll! Gerade zu Beginn des Spiels war es eine besondere Atmosphäre mit dem Fahnenmeer und der Choreo. Die Vorfreude auf das Spiel war spürbar. Auch die Tage zuvor in der Stadt haben uns viele Menschen angesprochen, nach dem Spiel haben viele Fans geduldig auf Autogramme gewartet. Jede gute Szene unsererseits hat das Publikum gefeiert und uns ihre Unterstützung spüren lassen. Für diese vielen Zuschauerinnen und Zuschauer hätte ich mir von uns eine bessere Leistung gewünscht. Am Ende fand ich es großartig, wie die Fans trotz der Niederlage reagiert haben. Sie haben uns mit ihrem Applaus gezeigt, dass sie hinter uns stehen. Ich habe auch ein kleines Mädchen getroffen. Sie weinte, weil sie Alex Popp nicht gesehen hat. Ich habe das Mädchen dann nochmal für ein Foto zu Poppi gebracht. Das sind die kleinen schönen Momente, in denen ich denke: Das eine ist ein Fußballergebnis und das andere sind diese vielen schönen, positiven Emotionen, die man miteinander teilen darf.

DFB.de: Mit welchem Gefühl blicken Sie nun auf die WM in Australien und Neuseeland im Sommer?

Voss-Tecklenburg: Wir sind aktuell in der Nachbereitung der Spiele. Dann setzen wir uns im Trainer*innenteam nochmal zusammen und werden diese Erkenntnisse für die weitere WM-Vorbereitung mitnehmen. Dafür waren diese beiden Spiele extrem wertvoll. Für uns geht jetzt darum, hartnäckig an den Themen dranzubleiben, die noch nicht funktioniert haben. Das andere sind Teamprozesse, die wir gemeinsam gestalten werden. Ich werde mit den Führungsspielerinnen telefonieren und mir auch nochmal ihre Eindrücke schildern lassen. Wir tun gut daran, die Spiele etwas sacken zu lassen und sachlich zu analysieren. Ich blicke trotzdem weiterhin mit absoluter Vorfreude auf die weitere Vorbereitung und die WM in Australien und Neuseeland. Es ist ein Privileg, eine WM spielen zu dürfen! Wir lassen uns nicht vom Weg abbringen, weil wir aktuell noch nicht in der Form sind, in der wir im Sommer sein müssen. Ich bin davon überzeugt, dass wir dahinkommen werden, nämlich auf 100%. Unser Team ist gefestigt genug, diese Herausforderung und Aufgabe anzunehmen und zu bewältigen.

[sal]

Mit einem Sieg (1:0) gegen die Niederlande sowie einer Niederlage (1:2) gegen Brasilien hat die deutsche Frauen-Nationalmannschaft die Länderspielphase im April abgeschlossen. Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg spricht im DFB.de-Interview über wichtige WM-Erkenntnisse, nächste Schritte und einen emotionalen Abschied in Nürnberg.

DFB.de: Frau Voss-Tecklenburg, wie fällt Ihr Fazit zu den beiden Länderspielen aus?

Martina Voss-Tecklenburg: Wir haben sicherlich nicht unsere besten Leistungen gebracht. Zwar haben wir das Spiel in den Niederlanden mit 1:0 gewonnen, jedoch waren wir nicht die bessere Mannschaft. Wir haben dennoch mit viel Energie, Intensität und Leidenschaft das Tor erzielt und gut verteidigt, mit überragenden Torhüterinnen-Leistungen. Das Spiel gegen Brasilien hat aufgezeigt, wo wir aktuell noch Mühe haben.

DFB.de: Nämlich?

Voss-Tecklenburg: Uns ist es nicht gelungen, sicher in den Spielaufbau zu kommen und mutig zu agieren. Wir haben viel nach hinten gespielt und teilweise etwas hilflos gewirkt. Wir müssen wieder Stabilität, Mut und Sicherheit in unser Spiel kriegen. Auch hinsichtlich der Widerstandfähigkeit und Zweikampfhärte hat uns Brasilien gezeigt, was Mannschaften mit dieser DNA in ein Spiel einbringen können. Neben fußballerischen Fähigkeiten verfügen sie über eine hohe mentale und physische Bereitschaft, offensiv wie defensiv. Von daher bin ich sehr froh, dass wir diese beiden Länderspiele auf internationalem Topniveau absolvieren konnten. Beide haben uns klar aufgezeigt, worauf wir uns im Sommer vorbereiten müssen. Auch im taktischen Bereich werden wir noch mal viel Zeit auf dem Platz verbringen und alles bestmöglich in Trainingsinhalte umsetzen.

DFB.de: Sie haben im Vorfeld der beiden Länderspiele betont, dass Sie nochmal möglichst vielen Spielerinnen die Möglichkeit geben wollen, sich zu zeigen. Welche Erkenntnisse haben Ihnen die Begegnungen dahingehend geliefert?

Voss-Tecklenburg: Es war wichtig, viele Spielerinnen nochmal auf diesem internationalen Niveau spielen zu sehen. Auch um herauszufinden, wie wir unter bestimmten personellen Besetzungen Spielweisen anpassen und verändern müssen. Die Stärken jeder Spielerin sollen bestmöglich eingebracht werden. Uns war wichtig, zu sehen, in welchen Themen wir uns weiterentwickeln müssen – die Spielerinnen individuell, aber auch als gesamte Mannschaft. Wir wollten während der Maßnahme hinsichtlich der Spielbelastung auch Rücksicht auf die Vereine nehmen. Die Spielerinnen hatten zum Teil mit kleineren Blessuren zutun und leider mussten auch zwei von ihnen verletzungsbedingt abreisen. Ich sehne mir daher auch für die Spielerinnen die Sommerpause herbei. Sie sollen mal zwei Wochen komplett rauskommen und die Möglichkeit haben, nicht über Fußball und Trainingspläne nachzudenken. Wir im Trainer*innenteam werden analysieren, woran es zu arbeiten gilt. Mit den Spielerinnen werden wir auch noch in Gespräche und Einzelanalysen gehen.

DFB.de: Trotz der Niederlage gegen Brasilien war es ein sehr emotionaler Abend in Nürnberg. Dzsenifer Marozsán hat ein letztes Mal für Deutschland gespielt. Wie sehr hat es Sie als Trainerin berührt, die ihre Reise rund vier Jahre begleitet hat?

Voss-Tecklenburg: Für mich war es bereits am Vorabend des Spiels emotional, als ich mit ihr gesprochen haben. Es war ein besonderer Moment, als ich sie dann auf dem Platz umarmen konnte. Auch hat es mich berührt, zu sehen, wie sehr sie diese gemeinsamen Momente mit der Familie emotional ergriffen haben. Nach Abpfiff war ich gedanklich erstmal bei dem Spiel und unserer Leistung, mit der wir nicht zufrieden waren. Neben der Unzufriedenheit über das Spiel einerseits, war es jedoch schön, sich anschließend auch auf diese zu Recht gebührende Verabschiedung von Maro zu konzentrieren und emotional ein wenig abzulenken.

DFB.de: Neben der Verabschiedung gab es auch ein Comeback. Melanie Leupolz stand erstmals nach ihrer Schwangerschaft wieder im Nationalmannschaftstrikot auf dem Platz.

Voss-Tecklenburg: Für uns war es spannend, Melly (Melanie Leupolz; Anm. d. Red.) neu zu erleben. Wenn du Mutter wirst, verändert es dich. Das hat man gespürt. Sie ruht sehr in sich und hat ein klares Bild davon, wie sie mit ihrer Rolle als Mutter und Profifußballerin umgeht. Das hat mich sehr beeindruckt. Neben dem, was sie fußballerisch bereits in Chelsea gezeigt hat, ist sie auf einem sehr guten Weg. Durch den Nasenbeinbruch war es für sie herausfordernd mit der Maske zu trainieren und zu spielen. Das hat sie im Rahmen ihrer Möglichkeiten bestmöglich gelöst. Man hat in der ein oder anderen Situation im Spiel gesehen, dass sie sich erstmal an die Maske gewöhnen muss, da das Blickfeld eingeschränkt ist. Das ist aber völlig normal. Insgesamt hat sie einen sehr gefestigten Eindruck gemacht. Ich freue mich sehr für sie und glaube, dass sie als Persönlichkeit nochmal gewachsen ist, seit sie Mutter geworden ist. Ich hoffe, dass sie nun gesund bleibt und weiterhin konstant ihre Leistung im Verein zeigt.  

DFB.de: Das Spiel gegen Brasilien fand vor einer beeindruckenden Kulisse statt. 32.587 Zuschauerinnen und Zuschauer waren im Max-Morlock-Stadion. Wie haben Sie die Kulisse erlebt?

Voss-Tecklenburg: Die Stimmung war toll! Gerade zu Beginn des Spiels war es eine besondere Atmosphäre mit dem Fahnenmeer und der Choreo. Die Vorfreude auf das Spiel war spürbar. Auch die Tage zuvor in der Stadt haben uns viele Menschen angesprochen, nach dem Spiel haben viele Fans geduldig auf Autogramme gewartet. Jede gute Szene unsererseits hat das Publikum gefeiert und uns ihre Unterstützung spüren lassen. Für diese vielen Zuschauerinnen und Zuschauer hätte ich mir von uns eine bessere Leistung gewünscht. Am Ende fand ich es großartig, wie die Fans trotz der Niederlage reagiert haben. Sie haben uns mit ihrem Applaus gezeigt, dass sie hinter uns stehen. Ich habe auch ein kleines Mädchen getroffen. Sie weinte, weil sie Alex Popp nicht gesehen hat. Ich habe das Mädchen dann nochmal für ein Foto zu Poppi gebracht. Das sind die kleinen schönen Momente, in denen ich denke: Das eine ist ein Fußballergebnis und das andere sind diese vielen schönen, positiven Emotionen, die man miteinander teilen darf.

DFB.de: Mit welchem Gefühl blicken Sie nun auf die WM in Australien und Neuseeland im Sommer?

Voss-Tecklenburg: Wir sind aktuell in der Nachbereitung der Spiele. Dann setzen wir uns im Trainer*innenteam nochmal zusammen und werden diese Erkenntnisse für die weitere WM-Vorbereitung mitnehmen. Dafür waren diese beiden Spiele extrem wertvoll. Für uns geht jetzt darum, hartnäckig an den Themen dranzubleiben, die noch nicht funktioniert haben. Das andere sind Teamprozesse, die wir gemeinsam gestalten werden. Ich werde mit den Führungsspielerinnen telefonieren und mir auch nochmal ihre Eindrücke schildern lassen. Wir tun gut daran, die Spiele etwas sacken zu lassen und sachlich zu analysieren. Ich blicke trotzdem weiterhin mit absoluter Vorfreude auf die weitere Vorbereitung und die WM in Australien und Neuseeland. Es ist ein Privileg, eine WM spielen zu dürfen! Wir lassen uns nicht vom Weg abbringen, weil wir aktuell noch nicht in der Form sind, in der wir im Sommer sein müssen. Ich bin davon überzeugt, dass wir dahinkommen werden, nämlich auf 100%. Unser Team ist gefestigt genug, diese Herausforderung und Aufgabe anzunehmen und zu bewältigen.

###more###