Manuel Neuer: "Um die Stabilität muss sich niemand sorgen"

Nüscht Neuet für Neuer? Alles wie gehabt? Nicht ganz. Die Vorbereitung auf die EM in Frankreich läuft aus seiner Perspektive außergewöhnlich - gewöhnlich. Anders als 2012 ist der Torhüter von Beginn an dabei. Verletzt ist er auch nicht, anders als vor der WM 2014. Im DFB.de-Interview spricht Manuel Neuer mit Redakteur Steffen Lüdeke über das Trainingslager in Ascona, die Arbeit im Team der Torhüter und das Auftaktspiel am Sonntag (ab 21 Uhr, live in der ARD) in Lille gegen die Ukraine.

DFB.de: Herr Neuer, wir müssen mit etwas Unerfreulichem beginnen - dem Ausfall von Antonio Rüdiger. Wie sehr trifft das die Mannschaft?

Manuel Neuer: Vor allem anderen ist das total bitter und traurig für Toni. Mir tut es sehr leid für ihn. Er hat in Ascona richtig gut gearbeitet, sein Niveau war sehr hoch. Und ich weiß, wie sehr er sich auf das Turnier gefreut hat. Ich hoffe, dass er diesen Rückschlag schnell verdaut, und wünsche ihm, dass er nach der Verletzung noch stärker zurückkommt. Er ist noch jung, er hat alle Anlagen, er hat noch viele Turniere vor sich.

DFB.de: Zuletzt hat Rüdiger konstant zur Startformation gehört. Ist durch sein Aus die Stabilität in der Defensive in Gefahr?

Neuer: Nein. Dafür muss man sich nur angucken, welche Spieler wir im Kader haben. Und mit Jonathan Tah kommt noch ein weiterer Innenverteidiger zu uns, der schon gezeigt hat, dass er auf hohem Niveau bestehen kann. Ich weiß nicht, wie der Bundestrainer plant, ich kenne auch den genauen Stand bei Mats Hummels nicht. Aber sicher ist: Wir haben genug Qualität und Erfahrung im Kader - um die Stabilität muss sich niemand sorgen. Bis zum ersten Spiel haben wir ja auch noch ein paar Trainingseinheiten, wir haben also noch Zeit, uns auf die veränderte Situation einzustellen.

DFB.de: Am Sonntag geht's los, die Mannschaft startet mit dem Spiel in Lille gegen die Ukraine in die EM. Vier Tage noch. Mesut Özil hat neulich erzählt, dass die Zeit immer langsamer wird, je näher das Turnier rückt. Geht es Ihnen auch so?

Neuer: Diesen Gedanken kann ich nachvollziehen, ja. Wobei es auch darauf ankommt, wie die persönliche Situation ist. Bei mir war es vor der WM in Brasilien beispielsweise so, dass ich die Probleme mit meiner Schulter hatte. Für mich waren jeder Tag und jede Behandlung bei den Physiotherapeuten und Ärzten wertvoll. Da ist die Zeit im Grunde gerast. Aber ansonsten kann es schon vorkommen, dass die Zeit manchmal schleicht und die Tage einfach nicht vorübergehen wollen. Wir haben zwar oft Training, aber wir können ja nicht den ganzen Tag trainieren.

DFB.de: Ändert sich die Geschwindigkeit der Zeit mit Turnierbeginn? Wie erleben Sie die Tage zwischen den Spielen?

Neuer: Aus der Vergangenheit kann ich sagen, dass nach dem ersten Spiel ziemlich viel Tempo drin ist. Wir fliegen zurück, am Tag danach stehen ein Regenerationstraining und die Spielverarbeitung an. Man spricht mit den Teamkollegen, mit den Trainern, mit der gesamten Mannschaft. Und dann ist der Blick schon wieder auf die nächste Partie gerichtet. Während des Turniers ist man ja auch viel damit beschäftigt, Fußball zu gucken. Wir schauen uns die Partien der anderen Teams an, schauen nach den Gruppengegnern und den anderen Favoriten. Eigentlich besteht die Schwierigkeit eher darin, mal abzuschalten und auf andere Gedanken zu kommen. Denn vier Wochen durchgehend kann der Fokus nicht bei 100 Prozent sein. Aber da haben wir hier zum Glück mehrere Möglichkeiten.

DFB.de: Was machen Sie, um mit dem Kopf mal nicht beim Fußball zu sein?

Neuer: Verschiedene Dinge. Ich unterhalte mich gerne mit meinen Mitspielern, aber eben nicht nur. Ich suche das Gespräch auch mit den Mitgliedern des Betreuerstabes, sogar mit denen aus der Medienabteilung. (lacht) Schon das ist Ablenkung, vor allem, weil es dabei nicht immer um Fußball geht.

DFB.de: Bei der EM vor vier Jahren in Polen und der Ukraine haben Sie damit angefangen, Gitarre zu spielen. Was ist daraus geworden? Spielen Sie noch?

Neuer: Nein.

DFB.de: Warum nicht?

Neuer: Es hat kein Glück gebracht, wir sind gegen Italien ausgeschieden, da habe das mit dem Gitarrespielen wieder sein lassen. Wobei das nur eine Ausrede ist. (lacht) Die Gitarre ist kein einfaches Instrument, wenn man das richtig lernen will, muss man diszipliniert sein. Wenn man nicht tagtäglich übt, macht man keine Fortschritte. Ich bin nicht drangeblieben, und irgendwann habe ich es dann ganz sein lassen. Schade eigentlich.

DFB.de: Wobei Sie Ihrer großen Hände wegen wahrscheinlich ohnehin nicht die besten körperlichen Voraussetzungen dafür haben, ein neuer Jimi Hendrix zu werden.

Neuer: Das weiß ich gar nicht, eigentlich habe ich eher normal große Hände. Es gibt Torhüter, bei denen die Hände überdimensional groß sind, aber zu denen gehöre ich nicht. Beim Gitarrespielen war es einfach so, dass ich meine Hausaufgaben nicht gemacht habe. Und dann funktioniert es eben nicht.

DFB.de: Die Vorbereitung auf die EM 2016 verläuft aus Manuel-Neuer-Perspektive ungewöhnlich, nämlich: gewöhnlich. 2014 waren Sie verletzt, 2012 kamen Sie wegen des Champions-League-Finals erst spät hinzu. Diesmal sind Sie fit und von Beginn an dabei.

Neuer: Ein Nachteil ist das nicht. Wobei wir natürlich auch in diesem Jahr gerne mit den Bayern das Finale der Champions League gespielt hätten. Mittlerweile sehe ich aber die Vorteile. Es ist gut, dass fast der gesamte Kader von Beginn an dabei war. Man kann beobachten und sehen, wie sich die einzelnen Spieler verhalten. Und man könnte eingreifen, wenn Dinge falsch laufen. Wobei das bisher nicht erforderlich war und ich auch nicht glaube, dass es noch erforderlich werden wird. Dennoch ist es gut, wenn die Führungsspieler vom ersten Tag an ihre Erfahrung und Meinung einbringen können.

DFB.de: Sie sind ein Spieler, der immer spielen will. Auch bei den Bayern haben Sie sich nur in extremen Ausnahmefällen vertreten lassen. Auf das Länderspiel gegen die Slowakei (1:3 in Augsburg; Anm. d. Red.) haben Sie verzichtet. Wie schwer ist Ihnen das gefallen?

Neuer: Für Bernd (Bernd Leno; Anm. d. Red.) und Marc (Marc-André ter Stegen; Anm. d. Red.) ist es wichtig, dass beide ihre Einsätze erhalten haben. Nur so können sie ein Gefühl für unsere Mannschaft bekommen. Und das kann im Fall der Fälle entscheidend sein. Ich bin nicht unverwundbar, umso besser ist es, dass die beiden nun ein wenig mehr Spielpraxis mit dem Team haben.

DFB.de: Wie erleben Sie die Arbeit im Team der Torhüter um Andreas Köpke?

Neuer: Ich habe sowohl mit Bernd als auch mit Marc schon gemeinsam trainiert, aber noch nicht in dieser Konstellation zu dritt. Mir macht es bislang großen Spaß. Wir Torhüter sind ja ein eigenes Team im Team. Wichtig ist, dass wir ein vertrauensvolles, harmonisches Verhältnis haben. Und Respekt voreinander. Und das ist alles gegeben. So profitieren wir von den Qualitäten des jeweils anderen. Wir sind auch nicht so eitel, dass wir die Tipps und Hilfen der anderen nicht annehmen würden. Es gibt immer Kleinigkeiten, die man übernehmen kann.

DFB.de: Wir haben Sie beobachtet, wie Sie vor dem Fernseher das Champions-League-Finale verfolgt haben. Stimmt der Eindruck, dass Sie sehr genau darauf achten, wie sich die Torhüter verhalten?

Neuer: Ja, das ist so. Das war schon immer so. Ich weiß noch, dass ich früher immer die Sendung Eurogoals geschaut habe. Alle haben auf die Tore geachtet und auf die Torschützen. Nur ich nicht. Ich habe immer zuerst darauf geschaut, was der Torhüter gemacht hat und mir überlegt, ob und wie das Tor hätte verhindert werden können.

DFB.de: Beim Elfmeterschießen zwischen Real und Atletico haben Sie jeweils richtig vorausgesagt, in welche Richtung sich der Torhüter bewegen würde.

Neuer: Das sind Hausaufgaben, das gehört dazu. Auf hohem Niveau wissen wir Torhüter, in welche Ecken die Schützen bevorzugt schießen. Deswegen kann ich mit ziemlich großer Wahrscheinlichkeit vorhersagen, wohin der Torhüter sich bewegen wird. Wobei mit dem Wissen der Torhüter auch nur bedingt etwas gewonnen ist. Schließlich wissen die Schützen auch, dass wir wissen, wohin sie bevorzugt schießen. Wenn es nur danach geht, müssten sie also nur die andere Ecke wählen. Wobei sie auch wissen, dass wir auch diesen Gedankengang kennen. Insgesamt ist das alles viel Theorie, wobei es schon so ist, dass einige Spieler gerade unter Stress dann doch wieder die bevorzugte Ecke wählen. Als Torhüter sollte man sich aber nie auf Statistiken verlassen, sondern auf die Intuition. Wenn ich durch meine Hausaufgaben weiß, dass der Schützen neun von zehn Elfmetern nach links schießt, gehe ich beim elften Mal dennoch nach rechts, wenn mein Bauch mir das vorher so sagt.

DFB.de: Haben Sie Ihre Hausaufgaben auch schon in Bezug auf die Ukraine gemacht?

Neuer: Wir sind dabei. Unsere Scouts und Analysten haben mich schon mit Informationen versorgt, und sie werden es weiter tun. Wie gesagt: Ein paar Tage sind es noch, die Details kommen noch. Wobei ich auch kein Freund davon bin, mit Informationen überfrachtet zu werden. Die Dinge, die ich wissen muss, werden mir mitgeteilt, alles andere lasse ich weg. Das stört nur die Konzentration.

[sl]

Nüscht Neuet für Neuer? Alles wie gehabt? Nicht ganz. Die Vorbereitung auf die EM in Frankreich läuft aus seiner Perspektive außergewöhnlich - gewöhnlich. Anders als 2012 ist der Torhüter von Beginn an dabei. Verletzt ist er auch nicht, anders als vor der WM 2014. Im DFB.de-Interview spricht Manuel Neuer mit Redakteur Steffen Lüdeke über das Trainingslager in Ascona, die Arbeit im Team der Torhüter und das Auftaktspiel am Sonntag (ab 21 Uhr, live in der ARD) in Lille gegen die Ukraine.

DFB.de: Herr Neuer, wir müssen mit etwas Unerfreulichem beginnen - dem Ausfall von Antonio Rüdiger. Wie sehr trifft das die Mannschaft?

Manuel Neuer: Vor allem anderen ist das total bitter und traurig für Toni. Mir tut es sehr leid für ihn. Er hat in Ascona richtig gut gearbeitet, sein Niveau war sehr hoch. Und ich weiß, wie sehr er sich auf das Turnier gefreut hat. Ich hoffe, dass er diesen Rückschlag schnell verdaut, und wünsche ihm, dass er nach der Verletzung noch stärker zurückkommt. Er ist noch jung, er hat alle Anlagen, er hat noch viele Turniere vor sich.

DFB.de: Zuletzt hat Rüdiger konstant zur Startformation gehört. Ist durch sein Aus die Stabilität in der Defensive in Gefahr?

Neuer: Nein. Dafür muss man sich nur angucken, welche Spieler wir im Kader haben. Und mit Jonathan Tah kommt noch ein weiterer Innenverteidiger zu uns, der schon gezeigt hat, dass er auf hohem Niveau bestehen kann. Ich weiß nicht, wie der Bundestrainer plant, ich kenne auch den genauen Stand bei Mats Hummels nicht. Aber sicher ist: Wir haben genug Qualität und Erfahrung im Kader - um die Stabilität muss sich niemand sorgen. Bis zum ersten Spiel haben wir ja auch noch ein paar Trainingseinheiten, wir haben also noch Zeit, uns auf die veränderte Situation einzustellen.

DFB.de: Am Sonntag geht's los, die Mannschaft startet mit dem Spiel in Lille gegen die Ukraine in die EM. Vier Tage noch. Mesut Özil hat neulich erzählt, dass die Zeit immer langsamer wird, je näher das Turnier rückt. Geht es Ihnen auch so?

Neuer: Diesen Gedanken kann ich nachvollziehen, ja. Wobei es auch darauf ankommt, wie die persönliche Situation ist. Bei mir war es vor der WM in Brasilien beispielsweise so, dass ich die Probleme mit meiner Schulter hatte. Für mich waren jeder Tag und jede Behandlung bei den Physiotherapeuten und Ärzten wertvoll. Da ist die Zeit im Grunde gerast. Aber ansonsten kann es schon vorkommen, dass die Zeit manchmal schleicht und die Tage einfach nicht vorübergehen wollen. Wir haben zwar oft Training, aber wir können ja nicht den ganzen Tag trainieren.

DFB.de: Ändert sich die Geschwindigkeit der Zeit mit Turnierbeginn? Wie erleben Sie die Tage zwischen den Spielen?

Neuer: Aus der Vergangenheit kann ich sagen, dass nach dem ersten Spiel ziemlich viel Tempo drin ist. Wir fliegen zurück, am Tag danach stehen ein Regenerationstraining und die Spielverarbeitung an. Man spricht mit den Teamkollegen, mit den Trainern, mit der gesamten Mannschaft. Und dann ist der Blick schon wieder auf die nächste Partie gerichtet. Während des Turniers ist man ja auch viel damit beschäftigt, Fußball zu gucken. Wir schauen uns die Partien der anderen Teams an, schauen nach den Gruppengegnern und den anderen Favoriten. Eigentlich besteht die Schwierigkeit eher darin, mal abzuschalten und auf andere Gedanken zu kommen. Denn vier Wochen durchgehend kann der Fokus nicht bei 100 Prozent sein. Aber da haben wir hier zum Glück mehrere Möglichkeiten.

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DFB.de: Was machen Sie, um mit dem Kopf mal nicht beim Fußball zu sein?

Neuer: Verschiedene Dinge. Ich unterhalte mich gerne mit meinen Mitspielern, aber eben nicht nur. Ich suche das Gespräch auch mit den Mitgliedern des Betreuerstabes, sogar mit denen aus der Medienabteilung. (lacht) Schon das ist Ablenkung, vor allem, weil es dabei nicht immer um Fußball geht.

DFB.de: Bei der EM vor vier Jahren in Polen und der Ukraine haben Sie damit angefangen, Gitarre zu spielen. Was ist daraus geworden? Spielen Sie noch?

Neuer: Nein.

DFB.de: Warum nicht?

Neuer: Es hat kein Glück gebracht, wir sind gegen Italien ausgeschieden, da habe das mit dem Gitarrespielen wieder sein lassen. Wobei das nur eine Ausrede ist. (lacht) Die Gitarre ist kein einfaches Instrument, wenn man das richtig lernen will, muss man diszipliniert sein. Wenn man nicht tagtäglich übt, macht man keine Fortschritte. Ich bin nicht drangeblieben, und irgendwann habe ich es dann ganz sein lassen. Schade eigentlich.

DFB.de: Wobei Sie Ihrer großen Hände wegen wahrscheinlich ohnehin nicht die besten körperlichen Voraussetzungen dafür haben, ein neuer Jimi Hendrix zu werden.

Neuer: Das weiß ich gar nicht, eigentlich habe ich eher normal große Hände. Es gibt Torhüter, bei denen die Hände überdimensional groß sind, aber zu denen gehöre ich nicht. Beim Gitarrespielen war es einfach so, dass ich meine Hausaufgaben nicht gemacht habe. Und dann funktioniert es eben nicht.

DFB.de: Die Vorbereitung auf die EM 2016 verläuft aus Manuel-Neuer-Perspektive ungewöhnlich, nämlich: gewöhnlich. 2014 waren Sie verletzt, 2012 kamen Sie wegen des Champions-League-Finals erst spät hinzu. Diesmal sind Sie fit und von Beginn an dabei.

Neuer: Ein Nachteil ist das nicht. Wobei wir natürlich auch in diesem Jahr gerne mit den Bayern das Finale der Champions League gespielt hätten. Mittlerweile sehe ich aber die Vorteile. Es ist gut, dass fast der gesamte Kader von Beginn an dabei war. Man kann beobachten und sehen, wie sich die einzelnen Spieler verhalten. Und man könnte eingreifen, wenn Dinge falsch laufen. Wobei das bisher nicht erforderlich war und ich auch nicht glaube, dass es noch erforderlich werden wird. Dennoch ist es gut, wenn die Führungsspieler vom ersten Tag an ihre Erfahrung und Meinung einbringen können.

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DFB.de: Sie sind ein Spieler, der immer spielen will. Auch bei den Bayern haben Sie sich nur in extremen Ausnahmefällen vertreten lassen. Auf das Länderspiel gegen die Slowakei (1:3 in Augsburg; Anm. d. Red.) haben Sie verzichtet. Wie schwer ist Ihnen das gefallen?

Neuer: Für Bernd (Bernd Leno; Anm. d. Red.) und Marc (Marc-André ter Stegen; Anm. d. Red.) ist es wichtig, dass beide ihre Einsätze erhalten haben. Nur so können sie ein Gefühl für unsere Mannschaft bekommen. Und das kann im Fall der Fälle entscheidend sein. Ich bin nicht unverwundbar, umso besser ist es, dass die beiden nun ein wenig mehr Spielpraxis mit dem Team haben.

DFB.de: Wie erleben Sie die Arbeit im Team der Torhüter um Andreas Köpke?

Neuer: Ich habe sowohl mit Bernd als auch mit Marc schon gemeinsam trainiert, aber noch nicht in dieser Konstellation zu dritt. Mir macht es bislang großen Spaß. Wir Torhüter sind ja ein eigenes Team im Team. Wichtig ist, dass wir ein vertrauensvolles, harmonisches Verhältnis haben. Und Respekt voreinander. Und das ist alles gegeben. So profitieren wir von den Qualitäten des jeweils anderen. Wir sind auch nicht so eitel, dass wir die Tipps und Hilfen der anderen nicht annehmen würden. Es gibt immer Kleinigkeiten, die man übernehmen kann.

DFB.de: Wir haben Sie beobachtet, wie Sie vor dem Fernseher das Champions-League-Finale verfolgt haben. Stimmt der Eindruck, dass Sie sehr genau darauf achten, wie sich die Torhüter verhalten?

Neuer: Ja, das ist so. Das war schon immer so. Ich weiß noch, dass ich früher immer die Sendung Eurogoals geschaut habe. Alle haben auf die Tore geachtet und auf die Torschützen. Nur ich nicht. Ich habe immer zuerst darauf geschaut, was der Torhüter gemacht hat und mir überlegt, ob und wie das Tor hätte verhindert werden können.

DFB.de: Beim Elfmeterschießen zwischen Real und Atletico haben Sie jeweils richtig vorausgesagt, in welche Richtung sich der Torhüter bewegen würde.

Neuer: Das sind Hausaufgaben, das gehört dazu. Auf hohem Niveau wissen wir Torhüter, in welche Ecken die Schützen bevorzugt schießen. Deswegen kann ich mit ziemlich großer Wahrscheinlichkeit vorhersagen, wohin der Torhüter sich bewegen wird. Wobei mit dem Wissen der Torhüter auch nur bedingt etwas gewonnen ist. Schließlich wissen die Schützen auch, dass wir wissen, wohin sie bevorzugt schießen. Wenn es nur danach geht, müssten sie also nur die andere Ecke wählen. Wobei sie auch wissen, dass wir auch diesen Gedankengang kennen. Insgesamt ist das alles viel Theorie, wobei es schon so ist, dass einige Spieler gerade unter Stress dann doch wieder die bevorzugte Ecke wählen. Als Torhüter sollte man sich aber nie auf Statistiken verlassen, sondern auf die Intuition. Wenn ich durch meine Hausaufgaben weiß, dass der Schützen neun von zehn Elfmetern nach links schießt, gehe ich beim elften Mal dennoch nach rechts, wenn mein Bauch mir das vorher so sagt.

DFB.de: Haben Sie Ihre Hausaufgaben auch schon in Bezug auf die Ukraine gemacht?

Neuer: Wir sind dabei. Unsere Scouts und Analysten haben mich schon mit Informationen versorgt, und sie werden es weiter tun. Wie gesagt: Ein paar Tage sind es noch, die Details kommen noch. Wobei ich auch kein Freund davon bin, mit Informationen überfrachtet zu werden. Die Dinge, die ich wissen muss, werden mir mitgeteilt, alles andere lasse ich weg. Das stört nur die Konzentration.

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