Klaus Fischer: Mit dem Rücken zum Tor

Einige Fußballer haben das Glück, dass ihre Spezialitäten zu Markenzeichen werden. Günter Netzer war der Absender zentimetergenauer Pässe "aus der Tiefe des Raumes". Horst Hrubesch galt als derart gefürchteter Kopfballspezialist, dass viele es "ungeheuer" fanden. Klaus Fischer hatte auch sein Markenzeichen: die Fallrückzieher. Vor 30 Jahren hat er einen seiner schönsten Treffer erzielt. Und sicher seinen wichtigsten. Anlass genug für ein "Heimspiel".

Klaus Fischer ist inzwischen 62, er hat viele Tore geschossen, sehr viele sogar. Worauf ihn die Leute ansprechen, sind aber immer noch die Fallrückzieher. "Speziell trainiert habe ich die nie", sagt er. "Es hat sich einfach so ergeben." Und es war ihm Ansporn genug, dass es 1975 einmal perfekt klappte. "Schalke spielte in Karlsruhe. Ich machte beide Tore zum 2:2-Endstand. Eines fiel durch meinen Fallrückzieher. Das kam unheimlich gut an. Besonders die Schalker Zuschauer hatten ihren großen Spaß daran. Häufig musste ich es dann sogar beim Training vorführen, damit sie fotografieren konnten. Die Leute wollten es einfach sehen."

Sein wichtigstes von allen Fallrückzieher-Toren – wie viele es genau waren, weiß er nicht – erzielte er vor rund 30 Jahren, am 8. Juli 1982. Es ist eingegangen in die Länderspiel-Geschichte, weil es beim unvergesslichen "Thriller von Sevilla" eine Schlüsselszene war. Beim Stand von 2:3 im WM-Halbfinalspiel gegen Frankreich – die Verlängerung lief schon – schlug Klaus Fischer zu. "Da passte alles, die Flanke von Pierre Littbarski, der von Horst Hrubesch mit dem Kopf zu mir zurückgelegte Ball, und dann der Fallrückzieher. Ich konnte den Ball gar nicht anders nehmen, denn ich stand mit dem Rücken zum Tor." Es war ein magischer Moment: Ausgleich für Deutschland zum 3:3 – und das mit solch einem spektakulären Treffer. Das Fußball-Drama nahm danach seinen Lauf: Es blieb in der Verlängerung beim 3:3, und ganz spät am Abend, es war schon fast Mitternacht, hielt Toni Schumacher beim Elfmeterschießen den Schuss von Maxime Bossis, traf Hrubesch anschließend nervenstark zum Einzug ins Finale (1:3 gegen Italien).

Auf den Spuren Klaus Fischers

Klaus Fischers Profi-Karriere hat aber nicht nur wegen dieses Treffers, seines wichtigsten überhaupt, Spuren hinterlassen. Mit 535 Einsätzen steht er bei den Bundesliga-Rekordspielern auf Platz sechs, und in der ewigen Torjägerliste nimmt er mit 268 Treffern Rang zwei hinter Gerd Müller (365) ein. Sehen lassen können sich auch seine 32 Tore in 45 Länderspielen, wobei das Jahr 1977 sein erfolgreichstes war – elf Treffer bei nur neun Einsätzen. "Vor allem bei der Südamerika-Reise lief es sehr gut, ich erzielte fünf der acht Tore. In Buenos Aires und Mexico City traf ich zweimal, in Rio einmal." Sein 4:1 im November desselben Jahres wurde später zum "Tor des Jahrhunderts" gewählt. Es war ein Fallrückzieher.

Dennoch hatte diese Karriere, so herausragend sie letztlich doch wurde, Brüche. Weichenstellungen, an denen die bessere Richtung verfehlt wurde. 1967 etwa bei der Probe-Trainingswoche in Mönchengladbach. Trainer Hennes Weisweiler schickte den 17-Jährigen wieder heim, "er meinte, ich solle noch ein Jahr beim SC Zwiesel bleiben". Dass Klaus Fischer sich mit zu engem Schuhwerk über die Woche gequält hatte, blieb Weisweiler verborgen. "Ich hatte das wohl gemeldet, aber die haben mich, glaube ich, gar nicht verstanden", sagt Fischer.

Statt an den Böckelberg ging der etwas schüchterne Junge mit dem ostbayerischen Dialekt, aufgewachsen in Kreuzstraßl zu Füßen des Großen Falkenstein und nahe der Grenze zu Tschechien, nach München zu den Sechz’gern, "denn ich wollte unbedingt Profi werden".

Zwei Jahre spielte und traf er für die "Löwen", dann holte ihn Schalke. Die Treue und die Tragik dieses Sportlerlebens begannen. Schon gleich zu Beginn seiner Jahre in Königsblau wurde er in den Skandal verstrickt. "Unfassbar, wie blöd man damals war. Für 2.300 Mark ließen wir Bielefeld gewinnen – bei 2.000 Mark Siegprämie. Aber wir Jüngeren mussten praktisch mitmachen. Entschieden haben es die Alten in der Mannschaft", sagt er heute, rund vier Jahrzehnte später. Fischer hat schwer bezahlt. Während in Mönchengladbach die goldenen 70er liefen, zerfiel in Gelsenkirchen ein Team, das 1972 (Vizemeisterschaft und Pokalsieg) gerade ihr großes Potenzial aufzudecken begonnen hatte. Statt fröhlicher Titeljagd folgten für die Schalker Sperren und Gerichtstermine. In der Bundesliga durfte Klaus Fischer zwar ab Ende 1973 wieder spielen. Doch ehe die DFB-Führung Fischer grünes Licht gab für Länderspiel-Einsätze, schrieb man bereits das Jahr 1977.



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Einige Fußballer haben das Glück, dass ihre Spezialitäten zu Markenzeichen werden. Günter Netzer war der Absender zentimetergenauer Pässe "aus der Tiefe des Raumes". Horst Hrubesch galt als derart gefürchteter Kopfballspezialist, dass viele es "ungeheuer" fanden. Klaus Fischer hatte auch sein Markenzeichen: die Fallrückzieher. Vor 30 Jahren hat er einen seiner schönsten Treffer erzielt. Und sicher seinen wichtigsten. Anlass genug für ein "Heimspiel".

Klaus Fischer ist inzwischen 62, er hat viele Tore geschossen, sehr viele sogar. Worauf ihn die Leute ansprechen, sind aber immer noch die Fallrückzieher. "Speziell trainiert habe ich die nie", sagt er. "Es hat sich einfach so ergeben." Und es war ihm Ansporn genug, dass es 1975 einmal perfekt klappte. "Schalke spielte in Karlsruhe. Ich machte beide Tore zum 2:2-Endstand. Eines fiel durch meinen Fallrückzieher. Das kam unheimlich gut an. Besonders die Schalker Zuschauer hatten ihren großen Spaß daran. Häufig musste ich es dann sogar beim Training vorführen, damit sie fotografieren konnten. Die Leute wollten es einfach sehen."

Sein wichtigstes von allen Fallrückzieher-Toren – wie viele es genau waren, weiß er nicht – erzielte er vor rund 30 Jahren, am 8. Juli 1982. Es ist eingegangen in die Länderspiel-Geschichte, weil es beim unvergesslichen "Thriller von Sevilla" eine Schlüsselszene war. Beim Stand von 2:3 im WM-Halbfinalspiel gegen Frankreich – die Verlängerung lief schon – schlug Klaus Fischer zu. "Da passte alles, die Flanke von Pierre Littbarski, der von Horst Hrubesch mit dem Kopf zu mir zurückgelegte Ball, und dann der Fallrückzieher. Ich konnte den Ball gar nicht anders nehmen, denn ich stand mit dem Rücken zum Tor." Es war ein magischer Moment: Ausgleich für Deutschland zum 3:3 – und das mit solch einem spektakulären Treffer. Das Fußball-Drama nahm danach seinen Lauf: Es blieb in der Verlängerung beim 3:3, und ganz spät am Abend, es war schon fast Mitternacht, hielt Toni Schumacher beim Elfmeterschießen den Schuss von Maxime Bossis, traf Hrubesch anschließend nervenstark zum Einzug ins Finale (1:3 gegen Italien).

Auf den Spuren Klaus Fischers

Klaus Fischers Profi-Karriere hat aber nicht nur wegen dieses Treffers, seines wichtigsten überhaupt, Spuren hinterlassen. Mit 535 Einsätzen steht er bei den Bundesliga-Rekordspielern auf Platz sechs, und in der ewigen Torjägerliste nimmt er mit 268 Treffern Rang zwei hinter Gerd Müller (365) ein. Sehen lassen können sich auch seine 32 Tore in 45 Länderspielen, wobei das Jahr 1977 sein erfolgreichstes war – elf Treffer bei nur neun Einsätzen. "Vor allem bei der Südamerika-Reise lief es sehr gut, ich erzielte fünf der acht Tore. In Buenos Aires und Mexico City traf ich zweimal, in Rio einmal." Sein 4:1 im November desselben Jahres wurde später zum "Tor des Jahrhunderts" gewählt. Es war ein Fallrückzieher.

Dennoch hatte diese Karriere, so herausragend sie letztlich doch wurde, Brüche. Weichenstellungen, an denen die bessere Richtung verfehlt wurde. 1967 etwa bei der Probe-Trainingswoche in Mönchengladbach. Trainer Hennes Weisweiler schickte den 17-Jährigen wieder heim, "er meinte, ich solle noch ein Jahr beim SC Zwiesel bleiben". Dass Klaus Fischer sich mit zu engem Schuhwerk über die Woche gequält hatte, blieb Weisweiler verborgen. "Ich hatte das wohl gemeldet, aber die haben mich, glaube ich, gar nicht verstanden", sagt Fischer.

Statt an den Böckelberg ging der etwas schüchterne Junge mit dem ostbayerischen Dialekt, aufgewachsen in Kreuzstraßl zu Füßen des Großen Falkenstein und nahe der Grenze zu Tschechien, nach München zu den Sechz’gern, "denn ich wollte unbedingt Profi werden".

Zwei Jahre spielte und traf er für die "Löwen", dann holte ihn Schalke. Die Treue und die Tragik dieses Sportlerlebens begannen. Schon gleich zu Beginn seiner Jahre in Königsblau wurde er in den Skandal verstrickt. "Unfassbar, wie blöd man damals war. Für 2.300 Mark ließen wir Bielefeld gewinnen – bei 2.000 Mark Siegprämie. Aber wir Jüngeren mussten praktisch mitmachen. Entschieden haben es die Alten in der Mannschaft", sagt er heute, rund vier Jahrzehnte später. Fischer hat schwer bezahlt. Während in Mönchengladbach die goldenen 70er liefen, zerfiel in Gelsenkirchen ein Team, das 1972 (Vizemeisterschaft und Pokalsieg) gerade ihr großes Potenzial aufzudecken begonnen hatte. Statt fröhlicher Titeljagd folgten für die Schalker Sperren und Gerichtstermine. In der Bundesliga durfte Klaus Fischer zwar ab Ende 1973 wieder spielen. Doch ehe die DFB-Führung Fischer grünes Licht gab für Länderspiel-Einsätze, schrieb man bereits das Jahr 1977.

Fischer - der wendige Typ

Anders als Gerd Müller, der unerhört standfest, instinktsicher und reaktionsschnell zuzuschlagen wusste, verkörperte Fischer den wendigen Typ: "Ich war häufig eher am Ball als mein Bewacher. Man hat mich nicht so schnell erwischt." Die starke Balleroberung war sein Erfolgsrezept. Natürlich klappte das nicht immer. Im März 1980 rasselte er mit dem Uerdinger Ludger van de Loo zusammen, "er traf mich grätschend voll am Standbein, ein Unglücksfall". Aber auch wieder so eine Weichenstellung. Denn die Folge – Schien- und Wadenbeinbruch mit kompliziertem Heilungsverlauf – kostete ihn zehn Karrieremonate und ziemlich sicher den Europameister-Titel. Hrubesch vertrat ihn in Italien.

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Als Fischer wieder spielen konnte, war Schalke, finanziell ausgepowert und ohne die meisten seiner besten Spieler, auf dem Weg in die Zweitklassigkeit. Der Abstieg folgte. Fischer war nun zu teuer, musste auch gehen, landete beim 1. FC Köln. "Aufhören wollte ich so jedenfalls nicht." In Köln schnupperte er, inzwischen fast 32, noch einmal Bundesliga-Spitzenluft, wurde ein zweites Mal (1983) Pokalsieger. Und danach erzielte er von 1984 bis 1988 (da war er schon 39!) für den VfL Bochum noch seine Tore. Überhaupt: Was für eine grandios lange Treffer-Serie hat dieser Mann hingelegt! 1976 die Nummer eins der Bundesliga (29), 1970, 1972, 1974 und 1979 jeweils Platz zwei, 1977 und 1978 Rang vier, dazu sechsmal "Tor des Monats", dreimal "Tor des Jahres". Und eben jener sagenhafte Treffer gegen die Schweiz.

Schlake bleibt seine Fußball-Liebe

Trotz späterer Wanderjahre blieb Schalke seine Fußball-Liebe und sein Schicksal. "Ich bin immer noch bei jedem Heimspiel und betreue Sponsorengäst", sagt er. In Schalke keimte auch die Hoffnung auf eine zweite Karriere – als Trainer. Aber in den mitunter turbulenten 90er-Jahren langte es nur zu zwei kurzen Rettungseinsätzen, zuletzt 1992 nach der Beurlaubung von Aleksandar Ristic. Daraufhin stand Präsident Günter Eichberg der Sinn nach einem Star. Er holte Udo Lattek.

Auch so eine Weichenstellung. Aber Fischer hat es verarbeitet: "Nachkarten bringt nichts. Das Schicksal wollte es so." Er betreibt die Fußballschule, die seinen Namen trägt und seit 1996 überall in der Republik unterwegs ist. Seine Erinnerungsstücke wie die Torjägerkanone oder der lange Nagel aus dem Bein sind im Schalke-Museum ausgestellt. Die wichtigen Medaillen wie die silberne von der WM 1982 liegen sicher im Safe. Klaus Fischer ist niemand, der sich lange mit der Vergangenheit aufhält. Er freut sich zusammen mit seiner Frau Marika, der Jugendliebe aus dem Bayerischen Wald, über drei fußballbegeisterte Enkel. Louis (11) und Henry (9) spielen beim SSV Buer. Emil (21 Monate) tollt ausgiebig mit Opa im Garten. Die Fischers sind in Gelsenkirchen fernab der bayerischen Heimat im Revier sesshaft geworden. Und mit sich und der Welt zufrieden.