Hummels: "Treffen auf ebenbürtiges Team"

Mats Hummels spielt eine überzeugende EM. Mit Holger Badstuber bildet der Dortmunder die deutsche Innenverteidigung, vier Mal stand das Duo über 90 Minuten gemeinsam auf dem Rasen. Vor dem Halbfinale gegen Italien spricht Hummels im Interview mit DFB.de-Redakteur Steffen Lüdeke über seine Rolle in der Nationalmannschaft, Komplimente durch Experten und sein Verhältnis zu Badstuber.

DFB.de: Herr Hummels, gestern haben Sie im Training mit dem Außenrist einen hohen, weiten Ball auf Mesut Özil geschlagen. Bundestrainer Löw hat sie dafür gelobt. "Gut so, Mats", hat er gesagt. Haben Sie Ihren Ohren getraut?

Mats Hummels: (lacht) Wenn ein Pass ankommt und daraus ein Tor entsteht, so wie in diesem Fall, dann ist es für den Bundestrainer in Ordnung. Wenn der Pass nicht angekommen wäre, hätte es aber ganz anders ausgesehen.

DFB.de: Die Diskussion um die hohen Bälle, die der Bundestrainer eigentlich nicht sehen will, nervt mittlerweile?

Hummels: Ich habe im gesamten Turnier bisher vier Bälle gespielt, die hoch waren. Generell habe ich wenig Risikopässe gespielt. Bedingt durch das Spiel, das wir als Mannschaft spielen, hat es sich nicht ergeben, dass mehr lange Bälle drin gewesen wären. Ich spiele lange Bälle ja nicht als Selbstzweck, sondern wenn ich der Meinung bin, dass dieses Zuspiel in diesem Moment das Richtige für die Mannschaft ist. Ich weiß mittlerweile, welche Spielweise in der Nationalmannschaft gefragt ist.

DFB.de: Weiß der Bundestrainer umgekehrt auch, dass Mats Hummels in der Nationalmannschaft manchmal wie Mats Hummels in Dortmund spielen muss?

Hummels: Es gibt viele Parallelen in der Spielanlage der beiden Teams, sie unterscheiden sich nur durch Kleinigkeiten. Für mich ist die Umstellung also gar nicht so groß. 98 Prozent von dem, was ich in Dortmund spiele, kann ich auch bei der Nationalmannschaft machen.

DFB.de: Sie erhalten viele Komplimente, auch international. Wie würden Sie selber Ihre Leistung in den ersten vier Turnierspielen einschätzen?

Hummels: Es läuft wunderbar. Ich habe die Chance erhalten, meinen Teil zum Erfolg der Mannschaft beizutragen, das ist mir gelungen. Wir stehen im Halbfinale, wir haben alle vier Spiele gewonnen, viel mehr kann man sich nicht wünschen.

DFB.de: Der Bundestrainer hat Sie gelobt und gesagt, dass sie stark spielen und der Abwehr viel Halt geben...

Hummels: Das habe ich gar nicht mitbekommen. Obwohl ich hier viel Zeitungen lese.

DFB.de: Er hat es auf einer Pressekonferenz gesagt.

Hummels: Der Bundestrainer hat mir das auch schon im Vier-Augen-Gespräch gesagt. Es ist sehr schön, diese Bestätigung von ihm zu bekommen. Dann weiß man, dass das, was man macht, der Mannschaft hilft. Und das ist genau das, was meine Aufgabe ist.

DFB.de: Auch Zinedine Zidane hat Sie über alle anderen Spieler des Turniers gehoben und gesagt, dass er von Ihnen sehr beeindruckt ist. Wie nehmen Sie diese Äußerung auf?

Hummels: Das habe ich gehört - und natürlich freue ich mich darüber. Gerade weil Zidane für mich immer ein Vorbild war. Er ist für mich der beste Spieler, den ich so richtig wahrgenommen habe, seitdem ich Fußball gucke. Natürlich ist es etwas ganz Besonderes, wenn man vom besten Fußballer einer Generation gelobt wird.

DFB.de: Vor dem ersten Spiel gegen Portugal waren Sie nervöser als sonst. Hat sich die Nervosität von Spiel zu Spiel gelegt?

Hummels: Es ist weniger geworden. Schon gegen die Niederlande war es nicht mehr so intensiv wie gegen Portugal. Und gegen Dänemark und Griechenland war dann nur noch die normale Anspannung vorhanden.

DFB.de:Wenn sich der Bundestrainer für einen Spieler entscheidet, ist davon auch immer ein anderer Spieler betroffen. In Ihrer Wahrnehmung: Wie geht Per Mertesacker mit der für ihn ungewohnten Rolle als Reservist um?

Hummels: Er verhält sich großartig. Ich kann nachempfinden, wie er sich fühlen muss. Bei der U21-EM im Jahr 2009 habe ich erlebt, wie es ist, wenn man lange auf eine Turnier hinarbeitet und dann nicht zum Einsatz kommt. Außerhalb der Spieltage ist es nicht so schlimm, aber am Spieltag selber ist es schon bitter. Man spürt einfach eine große Enttäuschung. Aber Per weiß, dass er sich trotzdem in die Mannschaft einbringen und er damit zum Erfolg beitragen kann. Und er macht das herausragend. Er trainiert gut, er hält sein Niveau hoch und ist präpariert für den Fall, dass er noch zum Einsatz kommt.

DFB.de: Haben Sie mit ihm über die Situation gesprochen?

Hummels: Darüber speziell nicht. Wir tauschen uns aber sonst ganz normal aus. Wir haben keine neue Art des Umgangs, nur weil zuletzt ich gespielt habe.

DFB.de: Über Ihr Verhältnis zu Holger Badstuber ist viel geschrieben worden. Es war zu lesen, dass sie eng befreundet sind, auch das Gegenteil, dass sie sich privat nicht sonderlich gut verstehen und aus dem Weg gehen würden. Was davon ist richtig?

Hummels: Ich habe da auch merkwürdige Dinge gelesen. Beides ist falsch. Wir haben ein ganz normales Verhältnis. Es ist mit ihm nicht anders, als mit anderen Spielern. Wir gehen uns nicht aus dem Weg, wir reden ganz normal miteinander. Dass man mit den Spielern, mit denen man schon lange gemeinsam bei einem Verein spielt, mehr Berührungspunkte hat, ist doch ganz normal. Aber zwischen Holger und mir gibt es nichts, woraus man eine negative Geschichte stricken könnte.

DFB.de: In Dortmund sind Sie Führungsspieler, wie sehen Sie Ihrer Rolle in der Nationalmannschaft?

Hummels: Es ist für mich logisch, dass ich mich bei der Nationalmannschaft zurücknehme. Es gibt Spieler hier, die viel länger dabei sind. Spieler wie Miroslav Klose, Philipp Lahm, Bastian Schweinsteiger und Lukas Podolski haben etliche Länderspiele und viele große Turniere absolviert. Vor deren Meriten habe ich großen Respekt. Da es ist es doch klar, dass ich nicht so vorangehe, wie ich dies beim Verein teilweise mache.

DFB.de: Besonders schöne Momente im Fußball sind für Sie, wenn nach einer Aktion ein Raunen durchs Stadion geht. Bis zum Spiel gegen Griechenland hatten Sie einen solchen Moment nicht. Dann kam die 85. Minute und ihre Rettungstat gegen Georgios Samaras...

Hummels: In dieser Szene habe ich mich darüber geärgert, dass ich überhaupt grätschen und in dieses Risiko gehen musste. Ich hatte vorher eine falsche Bewegung gemacht, genau in dem Moment, als er den Ball vorbeigelegt hat. Darüber habe ich mich aufgeregt, weil ich genau weiß, dass es in diesem Turnier schnellere Spieler gibt, bei denen ich nicht mehr hinterhergekommen wäre. Zum Glück konnte ich die Situation lösen, das war das Wichtigste. Aber Grätschen im 16er, das ist immer das letzte Mittel.

DFB.de: Sie kommen gerade vom letzten Training im Team-Basecamp, die drei Wochen in Danzig sind fast vorüber. Wenn Sie die Zeit hier resümieren, wie fällt ihr Fazit aus?

Hummels: Bis auf das Wetter ist alles genau nach Plan gelaufen. Wir haben hier alles, was wir brauchen. Und wir Spieler haben uns auch schon darüber unterhalten, wie schnell die Zeit vergangen ist, obwohl es eine so lange Strecke ist. Wir haben uns gewundert, dass heute wirklich schon der letzte Tag ist. Es ist erstaunlich, dass wir bereits seit drei Wochen hier sind.

DFB.de: Haben Sie das Viertelfinale zwischen Italien und England gesehen?

Hummels: Ja. Aus meiner Sicht sind die Italiener hochverdient weitergekommen, auch wenn sie es spannender gemacht haben, als es nötig gewesen wäre. Wir wissen, dass auf uns eine sehr schwere Aufgabe wartet.

DFB.de: Waren Sie überrascht, dass Italien so offensiv ausgerichtet ist?

Hummels: Die Engländer haben sehr wenig in die Offensive investiert. Auch wenn sie den Ball erobert haben, hatten sie wenig Präsenz im 16er. Und das ist eine wichtige Sache. Man muss als Team immer eine Gefährlichkeit ausstrahlen. Speziell gegen eine Mannschaft wie Italien, bei der schnell Selbstbewusstsein und das Bewusstsein entsteht, alles im Griff zu haben.

DFB.de:Sind Sie überrascht davon, dass Italien bei der EM eine so positive Rolle spielt? Es gab bei den Italienern im Vorfeld ja nicht wenige Probleme.

Hummels: Sie haben für mich nicht zu den drei Topfavoriten gehört. Und sie haben gezeigt, dass man sich irren kann. Wir treffen auf einen ebenbürtigen Gegner, wir wissen, dass dieses Spiel noch schwerer wird als die Spiele bisher. Schon im ersten Spiel gegen Spanien waren sie für mich die bessere Mannschaft. Und sie haben sich im Laufe des Turniers gesteigert. Italien hat eine sehr gute Mischung aus Offensive und Defensive. Im Mittelfeld haben sie mit Montolivo, Pirlo und de Rossi sehr gute Passgeber, die aber alle auch defensiv denken.

DFB.de: Wie wichtig wird es sein, dass es gelingt, Andrea Pirlo auszuschalten?

Hummels: Man hat im Viertelfinale gesehen, wie sehr er die entscheidenden Bälle in die Tiefe sucht und dass er in der Lage ist, die Stürmer zu bedienen. Ganz bestimmt ist er eine Schlüsselfigur in diesem Spiel.

DFB.de: Im Sturm hat Italien mit Mario Balotelli und Antonio Cassano zwei außergewöhnliche Akteure in seinen Reihen. Was muss man gegen diese beiden besonders beachten?

Hummels: Die beiden sind Topspieler, richtig gute Stürmer. So wie van Persie, wie Nani, wie Ronaldo. Wir müssen gegen sie nichts Besonderes beachten. Wir werden uns vorbereiten wie immer, wir werden an das Spiel herangehen wie immer. Bisher ist es uns gelungen, auf hohem Niveau und konzentriert zu spielen. Wir haben keine Angst vor den beiden. Es kommt darauf an, dass wir als Mannschaft gegen sie intelligent spielen. Wir müssen die Passgeber unter Druck setzen und als Viererkette im Verbund mit dem Mittelfeld dafür sorgen, dass sie ihre offensive Qualität nicht entfalten können.

DFB.de: Das letzte große Spiel zwischen Deutschland und Italien gab es bei der WM 2006. Sie waren damals 17 Jahre alt. Wissen Sie noch, wo Sie das Halbfinale gesehen haben?

Hummels: Die Niederlage war eine mittlere Katastrophe, auch wenn es "nur" ein Fußballspiel war. Ich habe das Spiel gemeinsam mit einigen Freunden in einem Biergarten beim Public Viewing gesehen. Es war proppenvoll, die Euphorie war groß, und genauso groß war hinterher die Enttäuschung, dass der ganz große Traum zu Ende war. Auf das Spiel am Donnerstag hat die Historie der Spiele gegen Italien aber keine Bedeutung. Sie zeigt lediglich, dass Italien traditionell eine richtig gute Mannschaft hat und schwer zu besiegen ist.

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Mats Hummels spielt eine überzeugende EM. Mit Holger Badstuber bildet der Dortmunder die deutsche Innenverteidigung, vier Mal stand das Duo über 90 Minuten gemeinsam auf dem Rasen. Vor dem Halbfinale gegen Italien spricht Hummels im Interview mit DFB.de-Redakteur Steffen Lüdeke über seine Rolle in der Nationalmannschaft, Komplimente durch Experten und sein Verhältnis zu Badstuber.

DFB.de: Herr Hummels, gestern haben Sie im Training mit dem Außenrist einen hohen, weiten Ball auf Mesut Özil geschlagen. Bundestrainer Löw hat sie dafür gelobt. "Gut so, Mats", hat er gesagt. Haben Sie Ihren Ohren getraut?

Mats Hummels: (lacht) Wenn ein Pass ankommt und daraus ein Tor entsteht, so wie in diesem Fall, dann ist es für den Bundestrainer in Ordnung. Wenn der Pass nicht angekommen wäre, hätte es aber ganz anders ausgesehen.

DFB.de: Die Diskussion um die hohen Bälle, die der Bundestrainer eigentlich nicht sehen will, nervt mittlerweile?

Hummels: Ich habe im gesamten Turnier bisher vier Bälle gespielt, die hoch waren. Generell habe ich wenig Risikopässe gespielt. Bedingt durch das Spiel, das wir als Mannschaft spielen, hat es sich nicht ergeben, dass mehr lange Bälle drin gewesen wären. Ich spiele lange Bälle ja nicht als Selbstzweck, sondern wenn ich der Meinung bin, dass dieses Zuspiel in diesem Moment das Richtige für die Mannschaft ist. Ich weiß mittlerweile, welche Spielweise in der Nationalmannschaft gefragt ist.

DFB.de: Weiß der Bundestrainer umgekehrt auch, dass Mats Hummels in der Nationalmannschaft manchmal wie Mats Hummels in Dortmund spielen muss?

Hummels: Es gibt viele Parallelen in der Spielanlage der beiden Teams, sie unterscheiden sich nur durch Kleinigkeiten. Für mich ist die Umstellung also gar nicht so groß. 98 Prozent von dem, was ich in Dortmund spiele, kann ich auch bei der Nationalmannschaft machen.

DFB.de: Sie erhalten viele Komplimente, auch international. Wie würden Sie selber Ihre Leistung in den ersten vier Turnierspielen einschätzen?

Hummels: Es läuft wunderbar. Ich habe die Chance erhalten, meinen Teil zum Erfolg der Mannschaft beizutragen, das ist mir gelungen. Wir stehen im Halbfinale, wir haben alle vier Spiele gewonnen, viel mehr kann man sich nicht wünschen.

DFB.de: Der Bundestrainer hat Sie gelobt und gesagt, dass sie stark spielen und der Abwehr viel Halt geben...

Hummels: Das habe ich gar nicht mitbekommen. Obwohl ich hier viel Zeitungen lese.

DFB.de: Er hat es auf einer Pressekonferenz gesagt.

Hummels: Der Bundestrainer hat mir das auch schon im Vier-Augen-Gespräch gesagt. Es ist sehr schön, diese Bestätigung von ihm zu bekommen. Dann weiß man, dass das, was man macht, der Mannschaft hilft. Und das ist genau das, was meine Aufgabe ist.

DFB.de: Auch Zinedine Zidane hat Sie über alle anderen Spieler des Turniers gehoben und gesagt, dass er von Ihnen sehr beeindruckt ist. Wie nehmen Sie diese Äußerung auf?

Hummels: Das habe ich gehört - und natürlich freue ich mich darüber. Gerade weil Zidane für mich immer ein Vorbild war. Er ist für mich der beste Spieler, den ich so richtig wahrgenommen habe, seitdem ich Fußball gucke. Natürlich ist es etwas ganz Besonderes, wenn man vom besten Fußballer einer Generation gelobt wird.

DFB.de: Vor dem ersten Spiel gegen Portugal waren Sie nervöser als sonst. Hat sich die Nervosität von Spiel zu Spiel gelegt?

Hummels: Es ist weniger geworden. Schon gegen die Niederlande war es nicht mehr so intensiv wie gegen Portugal. Und gegen Dänemark und Griechenland war dann nur noch die normale Anspannung vorhanden.

DFB.de:Wenn sich der Bundestrainer für einen Spieler entscheidet, ist davon auch immer ein anderer Spieler betroffen. In Ihrer Wahrnehmung: Wie geht Per Mertesacker mit der für ihn ungewohnten Rolle als Reservist um?

Hummels: Er verhält sich großartig. Ich kann nachempfinden, wie er sich fühlen muss. Bei der U21-EM im Jahr 2009 habe ich erlebt, wie es ist, wenn man lange auf eine Turnier hinarbeitet und dann nicht zum Einsatz kommt. Außerhalb der Spieltage ist es nicht so schlimm, aber am Spieltag selber ist es schon bitter. Man spürt einfach eine große Enttäuschung. Aber Per weiß, dass er sich trotzdem in die Mannschaft einbringen und er damit zum Erfolg beitragen kann. Und er macht das herausragend. Er trainiert gut, er hält sein Niveau hoch und ist präpariert für den Fall, dass er noch zum Einsatz kommt.

DFB.de: Haben Sie mit ihm über die Situation gesprochen?

Hummels: Darüber speziell nicht. Wir tauschen uns aber sonst ganz normal aus. Wir haben keine neue Art des Umgangs, nur weil zuletzt ich gespielt habe.

DFB.de: Über Ihr Verhältnis zu Holger Badstuber ist viel geschrieben worden. Es war zu lesen, dass sie eng befreundet sind, auch das Gegenteil, dass sie sich privat nicht sonderlich gut verstehen und aus dem Weg gehen würden. Was davon ist richtig?

Hummels: Ich habe da auch merkwürdige Dinge gelesen. Beides ist falsch. Wir haben ein ganz normales Verhältnis. Es ist mit ihm nicht anders, als mit anderen Spielern. Wir gehen uns nicht aus dem Weg, wir reden ganz normal miteinander. Dass man mit den Spielern, mit denen man schon lange gemeinsam bei einem Verein spielt, mehr Berührungspunkte hat, ist doch ganz normal. Aber zwischen Holger und mir gibt es nichts, woraus man eine negative Geschichte stricken könnte.

DFB.de: In Dortmund sind Sie Führungsspieler, wie sehen Sie Ihrer Rolle in der Nationalmannschaft?

Hummels: Es ist für mich logisch, dass ich mich bei der Nationalmannschaft zurücknehme. Es gibt Spieler hier, die viel länger dabei sind. Spieler wie Miroslav Klose, Philipp Lahm, Bastian Schweinsteiger und Lukas Podolski haben etliche Länderspiele und viele große Turniere absolviert. Vor deren Meriten habe ich großen Respekt. Da es ist es doch klar, dass ich nicht so vorangehe, wie ich dies beim Verein teilweise mache.

DFB.de: Besonders schöne Momente im Fußball sind für Sie, wenn nach einer Aktion ein Raunen durchs Stadion geht. Bis zum Spiel gegen Griechenland hatten Sie einen solchen Moment nicht. Dann kam die 85. Minute und ihre Rettungstat gegen Georgios Samaras...

Hummels: In dieser Szene habe ich mich darüber geärgert, dass ich überhaupt grätschen und in dieses Risiko gehen musste. Ich hatte vorher eine falsche Bewegung gemacht, genau in dem Moment, als er den Ball vorbeigelegt hat. Darüber habe ich mich aufgeregt, weil ich genau weiß, dass es in diesem Turnier schnellere Spieler gibt, bei denen ich nicht mehr hinterhergekommen wäre. Zum Glück konnte ich die Situation lösen, das war das Wichtigste. Aber Grätschen im 16er, das ist immer das letzte Mittel.

DFB.de: Sie kommen gerade vom letzten Training im Team-Basecamp, die drei Wochen in Danzig sind fast vorüber. Wenn Sie die Zeit hier resümieren, wie fällt ihr Fazit aus?

Hummels: Bis auf das Wetter ist alles genau nach Plan gelaufen. Wir haben hier alles, was wir brauchen. Und wir Spieler haben uns auch schon darüber unterhalten, wie schnell die Zeit vergangen ist, obwohl es eine so lange Strecke ist. Wir haben uns gewundert, dass heute wirklich schon der letzte Tag ist. Es ist erstaunlich, dass wir bereits seit drei Wochen hier sind.

DFB.de: Haben Sie das Viertelfinale zwischen Italien und England gesehen?

Hummels: Ja. Aus meiner Sicht sind die Italiener hochverdient weitergekommen, auch wenn sie es spannender gemacht haben, als es nötig gewesen wäre. Wir wissen, dass auf uns eine sehr schwere Aufgabe wartet.

DFB.de: Waren Sie überrascht, dass Italien so offensiv ausgerichtet ist?

Hummels: Die Engländer haben sehr wenig in die Offensive investiert. Auch wenn sie den Ball erobert haben, hatten sie wenig Präsenz im 16er. Und das ist eine wichtige Sache. Man muss als Team immer eine Gefährlichkeit ausstrahlen. Speziell gegen eine Mannschaft wie Italien, bei der schnell Selbstbewusstsein und das Bewusstsein entsteht, alles im Griff zu haben.

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DFB.de:Sind Sie überrascht davon, dass Italien bei der EM eine so positive Rolle spielt? Es gab bei den Italienern im Vorfeld ja nicht wenige Probleme.

Hummels: Sie haben für mich nicht zu den drei Topfavoriten gehört. Und sie haben gezeigt, dass man sich irren kann. Wir treffen auf einen ebenbürtigen Gegner, wir wissen, dass dieses Spiel noch schwerer wird als die Spiele bisher. Schon im ersten Spiel gegen Spanien waren sie für mich die bessere Mannschaft. Und sie haben sich im Laufe des Turniers gesteigert. Italien hat eine sehr gute Mischung aus Offensive und Defensive. Im Mittelfeld haben sie mit Montolivo, Pirlo und de Rossi sehr gute Passgeber, die aber alle auch defensiv denken.

DFB.de: Wie wichtig wird es sein, dass es gelingt, Andrea Pirlo auszuschalten?

Hummels: Man hat im Viertelfinale gesehen, wie sehr er die entscheidenden Bälle in die Tiefe sucht und dass er in der Lage ist, die Stürmer zu bedienen. Ganz bestimmt ist er eine Schlüsselfigur in diesem Spiel.

DFB.de: Im Sturm hat Italien mit Mario Balotelli und Antonio Cassano zwei außergewöhnliche Akteure in seinen Reihen. Was muss man gegen diese beiden besonders beachten?

Hummels: Die beiden sind Topspieler, richtig gute Stürmer. So wie van Persie, wie Nani, wie Ronaldo. Wir müssen gegen sie nichts Besonderes beachten. Wir werden uns vorbereiten wie immer, wir werden an das Spiel herangehen wie immer. Bisher ist es uns gelungen, auf hohem Niveau und konzentriert zu spielen. Wir haben keine Angst vor den beiden. Es kommt darauf an, dass wir als Mannschaft gegen sie intelligent spielen. Wir müssen die Passgeber unter Druck setzen und als Viererkette im Verbund mit dem Mittelfeld dafür sorgen, dass sie ihre offensive Qualität nicht entfalten können.

DFB.de: Das letzte große Spiel zwischen Deutschland und Italien gab es bei der WM 2006. Sie waren damals 17 Jahre alt. Wissen Sie noch, wo Sie das Halbfinale gesehen haben?

Hummels: Die Niederlage war eine mittlere Katastrophe, auch wenn es "nur" ein Fußballspiel war. Ich habe das Spiel gemeinsam mit einigen Freunden in einem Biergarten beim Public Viewing gesehen. Es war proppenvoll, die Euphorie war groß, und genauso groß war hinterher die Enttäuschung, dass der ganz große Traum zu Ende war. Auf das Spiel am Donnerstag hat die Historie der Spiele gegen Italien aber keine Bedeutung. Sie zeigt lediglich, dass Italien traditionell eine richtig gute Mannschaft hat und schwer zu besiegen ist.