Eigentlich gehört Dietmar Heinle beim WM-Stammtisch im baden-württembergischen Schorndorf zur Stammbesetzung. Wäre da nicht seine Leidenschaft, der deutschen Mannschaft bei Turnieren regelmäßig hinterherzureisen. Sein erstes Länderspiel im Stadion liegt über vierzig Jahre zurück. Die WM 2018 ist schon die fünfte Weltmeisterschaft, die Dietmar live vor Ort erlebt. Für das erste deutsche Spiel gegen Mexiko ist er nach 2012 und 2016 bereits zum dritten Mal im Fan-Camp untergekommen. Seine Kumpels beim WM-Talk in der Heimat müssen währenddessen schmerzlich auf ihn verzichten. Und das, obwohl Dietmar den Stammtisch einst selbst mit ins Leben rief.
"Wir haben uns damals immer mit vier bis fünf Leuten zum Fußballgucken und Grillen getroffen", erzählt der 63-Jährige. "Irgendwann kam dann die Idee des Stammtischs, bei dem wir ein bis zwei Tage vor dem Spiel in kleiner Runde diskutieren und tippen." Aus einer Idee wurde eine Tradition. Seither fanden namhafte Persönlichkeiten den Weg zu den Schorndorfer Fußballexperten: ob Weltmeister Guido Buchwald oder Europameister Hansi Müller – sie alle kamen gerne mit Dietmar und seinen Kollegen ins Gespräch.
Andreas Hinkel und Julian Schieber zu Gast
Die Themen bei dem zweistündigen Stammtisch sind vielfältig. Diskutiert wird über die Aufstellung, aktuelle Themen aus dem Umfeld der Nationalmannschaft und Einschätzungen, welches Team am Ende den Pokal holen wird. Da in der Zeitung regelmäßig über die Stammtische berichtet wird, kommt es durchaus vor, dass Dietmar auf der Straße darauf angesprochen wird. "Manche kommen zu mir und sagen: ‚Ach, du bist doch der von dem Stammtisch‘", sagt das Fan Club-Mitglied und lacht. Das Publikum, das den ehemaligen Amateurkickern und Fußballprofis bei den Talkrunden lauscht, variiert von Talk zu Talk: Mal sind es fünf Zuschauer, ein anderes Mal 20.
Auch in diesem Jahr ist die Expertenrunde wieder namhaft besetzt: Beim ersten Talk während des Eröffnungsspiels zwischen Russland und Saudi-Arabien war Ex-Nationalspieler Andreas Hinkel zu Gast. In einer kommenden Runde erwarten die Fußball-Fans Augsburg-Kicker Julian Schieber. "Über den ehemaligen Fußballprofi Ralf Vollmer, der schon von Anfang an bei unseren Fußball-Debatten dabei ist, haben wir Kontakt zu vielen namhaften Spielern", erklärt Dietmar das Erfolgsrezept. Vornehmlich kommen die Experten aus dem Stuttgarter Raum. Aus gutem Grund: Zwischen Schorndorf und Stuttgart liegen nur 30 Kilometer.
Anruf von Uli Hoeneß
Das ist auch der Auslöser, warum Dietmar aus Plüderhausen als Bayern-Fan und -Mitglied eine Dauerkarte beim VfB Stuttgart besitzt. "Wenn es zum direkten Duell zwischen dem VfB und dem FC Bayern kommt, drücke ich aber Stuttgart die Daumen." Ansonsten ist der Schwabe ein Bayern-Fan durch und durch. Bei vier Champions League-Finalspielen seiner Mannschaft war er live dabei – 2001 und 2013 wurden seine Reisen mit dem Titelgewinn belohnt.
Das Finale dahoam fand jedoch ohne ihn statt. Und das, obwohl er alles dafür getan hatte, eine Karte zu ergattern. Als seine Frau am Tegernsee Urlaub machte, warf sie für Dietmar eine Postkarte bei Uli Hoeneß in den Briefkasten. Die Bitte war klar: ein Ticket fürs Endspiel. "Kurze Zeit später rief Uli Hoeneß tatsächlich persönlich bei mir an", berichtet er stolz. "Er fand meine Idee toll, konnte mir aber leider trotzdem keine Karte anbieten."
In Russland hat er Tickets für das deutsche Spiel gegen Mexiko und ein mögliches Achtelfinale. Zwischendrin geht es für das Fan Club-Mitglied zurück nach Deutschland – natürlich zum Stammtisch. Die Runde in Schorndorf wartet schon gespannt auf die Berichte ihres Kumpels.
