16:0 gegen Russland: Höchster Sieg vor 100 Jahren

Vor 100 Jahren, am 1. Juli 1912, feierte die Nationalmannschaft ihren höchsten Sieg. Um das 16:0 gegen Russland bei den Olympischen Spielen in Stockholm ranken sich Mythen und Falschmeldungen. Der Autor und Historiker Udo Muras hat die Quellen gesichtet und erinnert an ein Schützenfest unter kuriosen Umständen.

Die erste Reise zu einem Turnier in der Historie der 1908 gegründeten Nationalmannschaft war akribisch geplant. 22 Spieler in blauen Anzügen, fünf Funktionäre "und ein Trainer" (DFB-Jahrbuch 1912) fuhren gen Schweden. Das Unternehmen kostete den DFB 12.400 Reichsmark, wovon der Deutsche Reichsausschuss für Olympische Spiele 5368 Mark trug.

Mit Zug und Schiff reiste die Delegation am 26. Juni von Berlin aus nach Stockholm, wo sie gleich nach der Ankunft der schwedischen Königin, die aus dem Hause Baden stammte, eine Huldigung überbrachte. Der Wortlaut ist überliefert: "Ihre Majestät der Königin Viktoria von Schweden! Eurer Majestät legen die deutschen olympischen Fußballspieler, darunter 10 Badener, ehrerbietigsten Gruß zu Füßen. Dr. Hofmann, Professor Hefner; Hotel Kronprinzen." Majestät war entzückt und antwortete umgehend: "Beste Wünsche für Ihren Aufenthalt in Schweden."

Trostrunde nach dem verpassten Viertelfinale

Die fruchteten zunächst nichts. Schon nach dem ersten Spiel war der Medaillen-Traum geplatzt. Gegen Österreich gab es eine 1:5-Packung, vornehmlich weil Torwart Albert Weber nach der Pause gegen den Torpfosten geprallt war und ohnmächtig wurde. Auswechseln war nur mit gegnerischer Zustimmung erlaubt und die blieb aus. Stürmer Willi Worpitzky musste ins Tor und "seine begreifliche Unsicherheit nutzte Österreich aus" (DFB-Jahrbuch). Das Viertelfinale war somit verfehlt, aber damit keine Mannschaft nur für ein Spiel anreisen musste, gab es eine Trostrunde.

Hier traf Deutschland am 1. Juli 1912 vor 600 bis 1000 Zuschauern auf dem Nebenplatz des Rasunda-Stadions auf die Russen. Das Rekord-Spiel hat angeblich eine Vorgeschichte, die immer wieder erzählt wird. Sicher ist: Es gab ein rauschendes Bankett auf einem Schiff. Ob vor oder nach dem Spiel – das ist nicht ganz unerheblich für die Bewertung – lässt sich aber heute nicht mehr klären. Das Sport Magazin zitiert vor dem zweiten Länderspiel gegen die Russen im August 1955 einen Augenzeugen von 1912, den Journalisten R. Volderauer so: "Dieses Stockholmer Länderspiel bedeutet für alle, die vor 43 Jahren dabei waren, Erinnerungen an zauberhafte Sommerabende im Lande der Mitternachtssonne, an Kavaliere aus dem kaiserlichen Russland mit Bordfesten bei Kaviar, Wodka und Balalaika-Musik".

Bei Gerd Krämer ("Im Dress der elf Besten") heißt es 1965: "Die als Fußballer noch unerfahrenen kaiserlichen Russen, alles hochgewachsene, athletische Gestalten, erweisen sich als wahre Kavaliere. Sie wohnen auf einem elegant eingerichteten Schiff und laden ihren deutschen Gegner zu einem feenhaften Abend-Bordfest ein, einer rauschenden (Fuß-) Ballnacht in den Schären von Stockholm mit Kaviar, Krimsekt, Wodka und Balalaika-Musik." Ein Zeitpunkt wird nicht genannt.

"Die Deutschen kommen auch mit dem Kater besser klar"



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Vor 100 Jahren, am 1. Juli 1912, feierte die Nationalmannschaft ihren höchsten Sieg. Um das 16:0 gegen Russland bei den Olympischen Spielen in Stockholm ranken sich Mythen und Falschmeldungen. Der Autor und Historiker Udo Muras hat die Quellen gesichtet und erinnert an ein Schützenfest unter kuriosen Umständen.

Die erste Reise zu einem Turnier in der Historie der 1908 gegründeten Nationalmannschaft war akribisch geplant. 22 Spieler in blauen Anzügen, fünf Funktionäre "und ein Trainer" (DFB-Jahrbuch 1912) fuhren gen Schweden. Das Unternehmen kostete den DFB 12.400 Reichsmark, wovon der Deutsche Reichsausschuss für Olympische Spiele 5368 Mark trug.

Mit Zug und Schiff reiste die Delegation am 26. Juni von Berlin aus nach Stockholm, wo sie gleich nach der Ankunft der schwedischen Königin, die aus dem Hause Baden stammte, eine Huldigung überbrachte. Der Wortlaut ist überliefert: "Ihre Majestät der Königin Viktoria von Schweden! Eurer Majestät legen die deutschen olympischen Fußballspieler, darunter 10 Badener, ehrerbietigsten Gruß zu Füßen. Dr. Hofmann, Professor Hefner; Hotel Kronprinzen." Majestät war entzückt und antwortete umgehend: "Beste Wünsche für Ihren Aufenthalt in Schweden."

Trostrunde nach dem verpassten Viertelfinale

Die fruchteten zunächst nichts. Schon nach dem ersten Spiel war der Medaillen-Traum geplatzt. Gegen Österreich gab es eine 1:5-Packung, vornehmlich weil Torwart Albert Weber nach der Pause gegen den Torpfosten geprallt war und ohnmächtig wurde. Auswechseln war nur mit gegnerischer Zustimmung erlaubt und die blieb aus. Stürmer Willi Worpitzky musste ins Tor und "seine begreifliche Unsicherheit nutzte Österreich aus" (DFB-Jahrbuch). Das Viertelfinale war somit verfehlt, aber damit keine Mannschaft nur für ein Spiel anreisen musste, gab es eine Trostrunde.

Hier traf Deutschland am 1. Juli 1912 vor 600 bis 1000 Zuschauern auf dem Nebenplatz des Rasunda-Stadions auf die Russen. Das Rekord-Spiel hat angeblich eine Vorgeschichte, die immer wieder erzählt wird. Sicher ist: Es gab ein rauschendes Bankett auf einem Schiff. Ob vor oder nach dem Spiel – das ist nicht ganz unerheblich für die Bewertung – lässt sich aber heute nicht mehr klären. Das Sport Magazin zitiert vor dem zweiten Länderspiel gegen die Russen im August 1955 einen Augenzeugen von 1912, den Journalisten R. Volderauer so: "Dieses Stockholmer Länderspiel bedeutet für alle, die vor 43 Jahren dabei waren, Erinnerungen an zauberhafte Sommerabende im Lande der Mitternachtssonne, an Kavaliere aus dem kaiserlichen Russland mit Bordfesten bei Kaviar, Wodka und Balalaika-Musik".

Bei Gerd Krämer ("Im Dress der elf Besten") heißt es 1965: "Die als Fußballer noch unerfahrenen kaiserlichen Russen, alles hochgewachsene, athletische Gestalten, erweisen sich als wahre Kavaliere. Sie wohnen auf einem elegant eingerichteten Schiff und laden ihren deutschen Gegner zu einem feenhaften Abend-Bordfest ein, einer rauschenden (Fuß-) Ballnacht in den Schären von Stockholm mit Kaviar, Krimsekt, Wodka und Balalaika-Musik." Ein Zeitpunkt wird nicht genannt.

"Die Deutschen kommen auch mit dem Kater besser klar"

Auch 1912 dürfte man beim DFB sicher der Ansicht gewesen sein, dass ein Bordfest nicht der optimalen Vorbereitung dienen mochte und gemeinsame Bankette fanden gewöhnlich nach einem Spiel statt. Ludger Schulze schrieb denn auch in seinem Buch "Die Mannschaft" 1986: "Den Russen hat die furchtbare Niederlage keinen seelischen Schmerz zugefügt. Am Abend luden sie auf ihrem Luxusschiff zu einem märchenhaften Fest ein."

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Jüngere Berichte haben das jedoch wieder in Zweifel gezogen und den Eindruck eines kollektiven Besäufnisses vor dem Spiel erweckt, das nur den Russen geschadet habe. So schrieb Sven Goldmann 2008 im Berliner Tagesspiegel: "Entgegen der landläufigen Meinung, nach der Russen schwer unter den Tisch zu trinken sind, haben die Deutschen deutliche Vorteile. Sie kommen auch mit dem Kater besser klar. Die wenigen Zuschauer staunen über die Probleme, die den Russen schon das Geradeauslaufen bereitet."

Interessant ist freilich, dass die Deutschen ihre Elf gegenüber dem Auftaktspiel komplett durchwechselten. Vielleicht war ja nur die erste Garnitur auf dem Fest? Es darf weiter gerätselt werden. Die zeitgenössische Presse berichtet wenig und fehlerhaft vom deutschen Rekord-Sieg. So lesen wir in der BZ am Mittag (Berlin) am 2. Juli 1912: "Deutschland schlug Russland ganz überlegen 16:0 (Halbzeit: 8:0). Hirsch trat acht, Förderer fünf Tore." Dabei spielte Julius Hirsch gar nicht mit, offenbar wurde er mit Gottfried Fuchs, beide waren beim Karlsruher FV, verwechselt.

Gottfried Fuchs trifft zehn Mal beim Rekordsieg

Auch der DFB hat in seinem Jahresbericht ausgerechnet diesem Spiel den geringsten Platz eingeräumt und verschweigt sogar die Torschützen. Zitat: "Deutschland war den Russen an Zusammenspiel und Technik weit überlegen und erzielte in gleichmäßigen Abständen in jeder Spielhälfte acht Tore, somit 16:0, das höchste Ergebnis, das in Olympischen Spielen bisher erreicht worden ist." Textende.

Dabei traf Gottfried Fuchs stolze zehnmal (!) ins Schwarze, ein bis heute gültiger Rekord der DFB-Historie. Sein KFV-Mitspieler Fritz Förderer schoss vier Tore, Emil Oberle von Phönix Karlsruhe und der Fürther Karl Burger, der eine Ecke direkt verwandelte, machten das 16:0-Schützenfest komplett. Es hätte noch übrigens schlimmer kommen können für die Russen, doch nach Fuchs’ zehntem Tor in der 69. Minute hatten die Deutschen genug.