1000 Länderspiele: 97 Jahre, elf Trainer

Das DFB-Team zählt weltweit zu den erfolgreichsten Nationalmannschaften. Vor dem 1000. Länderspiel am 12. Juni (ab 18 Uhr, live im ZDF) in Bremen gegen die Ukraine blickt DFB.de in einer Serie auf die reiche Geschichte der DFB-Auswahl zurück. Heute: die Bundestrainer.

Seit fast 97 Jahren hat die Nationalmannschaft einen Auswahltrainer, mittlerweile sind es elf. Die ersten beiden wurden noch Reichstrainer genannt und hatten zu Beginn ihrer Karriere Probleme mit der Akzeptanz ihrer Rolle, nach ihrem Tod nur noch mit der Statistik.

Alles begann im Jahr 1926, also 18 Jahre nach der Premiere von Basel. Was heute eine Selbstverständlichkeit ist, war es beinahe 20 Jahre nicht - dass die Nationalmannschaft einen Trainer hatte. Der Mannheimer Otto Nerz übernahm die Auswahl am 1. Juli 1926, wovon zunächst kaum jemand etwas mitbekam. In den Vorberichten vor seinem Debüt am 31. Oktober in Amsterdam fiel sein Name selbst in der Fachpresse nicht, im kicker wurden nur drei Begleiter aus dem DFB-Vorstand erwähnt, und "die Wahl eines vierten Herren steht noch aus." Das war wohl Dr. Otto Nerz, der schon zuvor als "Betreuer" im Einsatz gewesen war, nachweislich am 31. August 1924 beim 1:4 gegen Schweden in Berlin.

Im 59. Länderspiel der erste Auswahltrainer

In Länderspiel Nummer 59 wurde nun ein neues Kapitel aufgeschlagen, das die Zeitgenossen kaum berührte. Von der Premiere war erst in der kicker-Ausgabe vom 2. November 1926 zu lesen; auf drei Zeilen wurde man informiert, dass Nerz "haupt- und ganzamtlich vom DFB übernommen worden ist" und nun "seines Amtes als technischer Berater und Betreuer der Mannschaft" walte. Interviews musste er nicht geben. Schon bald aber setzte sich der Begriff Reichstrainer und ein damit verbundenes Verständnis von sportlicher Führung durch.

Damit wurde sichergestellt "daß erstmals in der Geschichte der Nationalmannschaft systematisch und gewissenhaft gearbeitet wurde", schrieb Ludger Schulze 1986 in seiner Chronik "Die Mannschaft". Hintergrund war der Aufbau einer schlagkräftigen Elf für das Olympiaturnier 1928 in Amsterdam. Dort, wo der 34-jährige Nerz, noch immer der Jüngste in diesem Amt, zum Start ein 4:0 gegen die Schweiz feierte. Es war das erste seiner 75 Länderspiele, in drei Turnieren coachte er die Mannschaft: Olympia 1928 und 1936 (jeweils Aus in Runde zwei) und bei der WM 1934 (umjubelter dritter Platz).

Herberger übernimmt - für fast 28 Jahre

Das Olympia-Aus 1936 kostete Nerz den Job, wenn auch nicht so schnell wie überliefert, weshalb der DFB im April 2019 die Statistiken änderte. Er bekam fünf Spiele mehr zugesprochen, denn erst im November 1936 übernahm sein Trauzeuge Sepp Herberger das schwere Amt, das mit heute nicht zu vergleichen war, offiziell. Weder Nerz noch Herberger waren je souverän in ihrer Position und mussten sich bis zum Zusammenbruch des NS-Staates ihre Aufstellungen vom Spielausschuss genehmigen lassen, Herberger zuletzt vom zum "Referenten der Nationalmannschaft" wegbeförderten Nerz.

Herberger war bei der WM 1938 sogar gezwungen, mindestens fünf Österreicher aufzustellen und scheiterte kolossal in der ersten Runde. Erst als derartige Zwänge fielen, kam der Erfolg. Der größte schlechthin! Am 4. Juli 1954 führte "der Alte von der Bergstraße" Deutschland in Bern zum WM-Titel. 1958 (vierter Platz) und 1962 (Aus im Viertelfinale) hatte er weniger Glück, aber er ging als Trainer mit der längsten Amtszeit (27 Jahre, 7 Monate) in die Annalen ein, wenn auch mit achtjähriger Unterbrechung (1942 bis 1950). Er wurde wegen seiner Schläue und seinen Weisheiten (wie "der nächste Gegner ist immer der schwerste") kultisch verehrt.

Schön der einzige Bundestrainer mit EM- und WM-Titel

Kult war auch sein Nachfolger, der lange Dresdner Helmut Schön, der sich als Auswahltrainer der Saar und dann als Assistent des "Chefs" hochgedient hatte. Der von Udo Jürgens besungene "Mann mit der Mütze" führte Deutschland zu vier Weltmeisterschaften, gewann die WM 1974 im eigenen Land , saß beim legendären Wembley-Tor im Finale 1966 ebenso auf der Bank wie bei den Jahrhundertspielen 1970 in Mexiko.

1972 wurde der von der Generation um Franz Beckenbauer beinahe geliebte Mann mit Traumfußball Europameister, als einziger Bundestrainer holte er beide bedeutenden Titel. Ein verschossener Elfmeter verdarb 1976 die Titelverteidigung bei der EM, Schöns Ende bei der WM 1978 in Argentinien im 139. Spiel mit der "Schmach von Cordoba" war unwürdig. Mit viel Beifall verabschiedet wurde er trotzdem, auch wenn Petrus das Spiel zu seinen Ehren benebelte und jäh beendete.

Derwall holt einen EM-Titel - und muss Beckenbauer weichen

An jenem November-Tag 1978 in Frankfurt saß schon sein langjähriger Assistent Jupp Derwall (67 Spiele) auf der Bank. Der joviale Rheinländer startete furios mit der noch gültigen Rekordserie von 23 Spielen ohne Niederlage, aus der der Triumph bei der EM 1980 herausragte. Der und die souveräne Qualifikation zur WM 1982 in Spanien weckten allzu hohe Erwartungen, um dort mit einem zweiten Platz zufrieden sein - sicher auch wegen einiger Randerscheinungen, die eine strengere Hand vielleicht verhindert hätte. Im Oktober 1982 klagte Derwall: "Es wäre schön, wenn bei aller tiefschürfenden Kritik an dieser WM das Resultat eines Vizeweltmeistertitels nicht ganz vergessen würde." Doch die Nationalmannschaft steuerte in eine Krise, und nach dem Vorrundenaus bei der EM 1984 wurde Derwall als bis heute einziger Bundestrainer vor Vertragsende entlassen.

Denn es musste Platz geschaffen werden für "den Kaiser". Franz Beckenbauer hatte sich in eine Boulevardfalle locken lassen und wurde mit den Worten "Ich bin bereit" zitiert. Der 103-malige Auswahlspieler war die Hoffnung der Nation, er sah sich nur als Übergangslösung und wollte 1985 den Weg frei machen für Stuttgarts Meistertrainer Helmut Benthaus. Zum Glück fand Beckenbauer Gefallen an dem Job, führte Deutschland als Teamchef ins EM-Halbfinale 1988 und zweimal ins WM-Finale mit der Krönung von Rom am 8. Juli 1990. Der Mann, der nie einen Trainerschein gemacht hatte, verkörperte den Vorzug der Praxis vor der Theorie - und er war schlau genug, nach 66 Spielen am Höhepunkt abzutreten.

Vogts feiert EM-Titel 1996

Nicht ohne seinem Nachfolger Berti Vogts, mit dem er 1974 als Spieler Weltmeister geworden war und der im DFB-Jugendbereich schon Trainerkarriere gemacht hatte, einen Rucksack aufzubinden. "Ich glaube, dass die deutsche Mannschaft über Jahre hinaus nicht zu besiegen sein wird", so Beckenbauer. "Es tut mir leid für den Rest der Welt." Unter Vogts, dem punktbesten Bundestrainer (2,17 pro Spiel), verlor die Nationalmannschaft zwar bis 1998 nur zwölf von 102 Spielen, aber leider auch die falschen. Ein 0:2 im EM-Finale 1992 gegen die Dänen, ein 1:2 gegen Bulgarien 1994 und ein 0:3 gegen Kroatien 1998, jeweils im WM-Viertelfinale, verzieh die anspruchsvolle Öffentlichkeit nicht.

Genugtuung verschaffte ihm 1996 in England der dritte EM-Titel. Aber im September 1998 trat Vogts zermürbt als erster Bundestrainer mit laufendem Vertrag zurück, und Erich Ribbeck, der als Derwalls Assistent schon 1984 mit dem Job geliebäugelt hatte, kam zu seinem Recht. Es wurde die kürzeste Dienstzeit eines Bundestrainers, die nach 20 Monaten mit dem EM-Vorrundenaus 2000 im 24. Spiel endete. Weil der designierte Nachfolger Christoph Daum durch eigene Schuld plötzlich ausfiel, sprang der 40 Jahre alte Weltmeister Rudi Völler ein, wochenlang gar in Doppelrolle als Teamchef und Leverkusener Vereinstrainer.

Völler folgt auf Ribbeck, Klinsmann krempelt vieles um

"Rudi Riese" führte die Mannschaft nach den Mühen der Playoffs in Asien ins WM-Finale 2002 und wurde auf dem Frankfurter Römer begeistert gefeiert. Weil das nur ein kurzes Strohfeuer in der Düsternis der ersten Jahre des neuen Jahrtausends war und der Mangel an Spielerpersönlichkeiten zum Vorrundenaus bei der EM 2004 führte, trat auch Völler zurück - nach 53 Spielen. In Erinnerung blieb eine Wutrede im TV-Studio gegen seine Kritiker nach einem 0:0 auf Island, die ihm zwar peinlich war, aber noch mehr Sympathien einbrachte.

In die WM 2006 im eigenen Land sollte ein anderer gehen. Und man fand seinen Sturmpartner von Rom 1990 - Jürgen Klinsmann. Der Sunnyboy mit Wohnsitz in Kalifornien war 40 Jahre jung und entsprechend schwungvoll, krempelte vieles um, nominierte Talente, die in ihren Klubs auf der Bank saßen, steckte die Mannschaft in rote Trikots und verordnete Optimismus: "Wir wollen Weltmeister werden!" Das klappte bei der Heim-WM 2006 zwar nicht, aber der dritte Platz und die Art und Weise des Fußballs wurden im Lande weltmeisterlich gefeiert.

Flick beerbt Rekordtrainer Löw

Klinsmann aber war es zu wenig, er verlängerte den Vertrag nicht. So begann die 17-jährige Ära seines einstigen Assistenten Joachim Löw. Unter "Jogi" kam die Mannschaft in den ersten fünf Turnieren stets unter die letzten Vier: 2008 stand sie im EM-Endspiel und 2014 in Maracana im WM-Finale - es brachte Deutschland den vierten Stern. 2018 aber schied die DFB-Auswahl erstmals in einer WM-Vorrunde aus, 2021 war im EM-Achtelfinale Schluss - auch für Löw, den Bundestrainer mit den meisten Spielen (198) und Siegen (122).

Am 2. September 2021 debütierte Hans-Dieter Flick auf der DFB-Bank, der mit acht Siegen einen Startrekord aufstellte. Nach 14 Spielen gab es die erste Niederlage für "Hansi" - und schon die zweite (1:2 gegen Japan) verursachte das Vorrundenaus bei der WM 2022 in Katar. Aber der DFB vertraut dem Mann, der mit Bayern München in einem Jahr alle sechs möglichen Titel gewann weiter. Und so führt Flick Deutschland zur Heim-EM 2024 - und vorher ins 1000. Länderspiel.

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Das DFB-Team zählt weltweit zu den erfolgreichsten Nationalmannschaften. Vor dem 1000. Länderspiel am 12. Juni (ab 18 Uhr, live im ZDF) in Bremen gegen die Ukraine blickt DFB.de in einer Serie auf die reiche Geschichte der DFB-Auswahl zurück. Heute: die Bundestrainer.

Seit fast 97 Jahren hat die Nationalmannschaft einen Auswahltrainer, mittlerweile sind es elf. Die ersten beiden wurden noch Reichstrainer genannt und hatten zu Beginn ihrer Karriere Probleme mit der Akzeptanz ihrer Rolle, nach ihrem Tod nur noch mit der Statistik.

Alles begann im Jahr 1926, also 18 Jahre nach der Premiere von Basel. Was heute eine Selbstverständlichkeit ist, war es beinahe 20 Jahre nicht - dass die Nationalmannschaft einen Trainer hatte. Der Mannheimer Otto Nerz übernahm die Auswahl am 1. Juli 1926, wovon zunächst kaum jemand etwas mitbekam. In den Vorberichten vor seinem Debüt am 31. Oktober in Amsterdam fiel sein Name selbst in der Fachpresse nicht, im kicker wurden nur drei Begleiter aus dem DFB-Vorstand erwähnt, und "die Wahl eines vierten Herren steht noch aus." Das war wohl Dr. Otto Nerz, der schon zuvor als "Betreuer" im Einsatz gewesen war, nachweislich am 31. August 1924 beim 1:4 gegen Schweden in Berlin.

Im 59. Länderspiel der erste Auswahltrainer

In Länderspiel Nummer 59 wurde nun ein neues Kapitel aufgeschlagen, das die Zeitgenossen kaum berührte. Von der Premiere war erst in der kicker-Ausgabe vom 2. November 1926 zu lesen; auf drei Zeilen wurde man informiert, dass Nerz "haupt- und ganzamtlich vom DFB übernommen worden ist" und nun "seines Amtes als technischer Berater und Betreuer der Mannschaft" walte. Interviews musste er nicht geben. Schon bald aber setzte sich der Begriff Reichstrainer und ein damit verbundenes Verständnis von sportlicher Führung durch.

Damit wurde sichergestellt "daß erstmals in der Geschichte der Nationalmannschaft systematisch und gewissenhaft gearbeitet wurde", schrieb Ludger Schulze 1986 in seiner Chronik "Die Mannschaft". Hintergrund war der Aufbau einer schlagkräftigen Elf für das Olympiaturnier 1928 in Amsterdam. Dort, wo der 34-jährige Nerz, noch immer der Jüngste in diesem Amt, zum Start ein 4:0 gegen die Schweiz feierte. Es war das erste seiner 75 Länderspiele, in drei Turnieren coachte er die Mannschaft: Olympia 1928 und 1936 (jeweils Aus in Runde zwei) und bei der WM 1934 (umjubelter dritter Platz).

Herberger übernimmt - für fast 28 Jahre

Das Olympia-Aus 1936 kostete Nerz den Job, wenn auch nicht so schnell wie überliefert, weshalb der DFB im April 2019 die Statistiken änderte. Er bekam fünf Spiele mehr zugesprochen, denn erst im November 1936 übernahm sein Trauzeuge Sepp Herberger das schwere Amt, das mit heute nicht zu vergleichen war, offiziell. Weder Nerz noch Herberger waren je souverän in ihrer Position und mussten sich bis zum Zusammenbruch des NS-Staates ihre Aufstellungen vom Spielausschuss genehmigen lassen, Herberger zuletzt vom zum "Referenten der Nationalmannschaft" wegbeförderten Nerz.

Herberger war bei der WM 1938 sogar gezwungen, mindestens fünf Österreicher aufzustellen und scheiterte kolossal in der ersten Runde. Erst als derartige Zwänge fielen, kam der Erfolg. Der größte schlechthin! Am 4. Juli 1954 führte "der Alte von der Bergstraße" Deutschland in Bern zum WM-Titel. 1958 (vierter Platz) und 1962 (Aus im Viertelfinale) hatte er weniger Glück, aber er ging als Trainer mit der längsten Amtszeit (27 Jahre, 7 Monate) in die Annalen ein, wenn auch mit achtjähriger Unterbrechung (1942 bis 1950). Er wurde wegen seiner Schläue und seinen Weisheiten (wie "der nächste Gegner ist immer der schwerste") kultisch verehrt.

Schön der einzige Bundestrainer mit EM- und WM-Titel

Kult war auch sein Nachfolger, der lange Dresdner Helmut Schön, der sich als Auswahltrainer der Saar und dann als Assistent des "Chefs" hochgedient hatte. Der von Udo Jürgens besungene "Mann mit der Mütze" führte Deutschland zu vier Weltmeisterschaften, gewann die WM 1974 im eigenen Land , saß beim legendären Wembley-Tor im Finale 1966 ebenso auf der Bank wie bei den Jahrhundertspielen 1970 in Mexiko.

1972 wurde der von der Generation um Franz Beckenbauer beinahe geliebte Mann mit Traumfußball Europameister, als einziger Bundestrainer holte er beide bedeutenden Titel. Ein verschossener Elfmeter verdarb 1976 die Titelverteidigung bei der EM, Schöns Ende bei der WM 1978 in Argentinien im 139. Spiel mit der "Schmach von Cordoba" war unwürdig. Mit viel Beifall verabschiedet wurde er trotzdem, auch wenn Petrus das Spiel zu seinen Ehren benebelte und jäh beendete.

Derwall holt einen EM-Titel - und muss Beckenbauer weichen

An jenem November-Tag 1978 in Frankfurt saß schon sein langjähriger Assistent Jupp Derwall (67 Spiele) auf der Bank. Der joviale Rheinländer startete furios mit der noch gültigen Rekordserie von 23 Spielen ohne Niederlage, aus der der Triumph bei der EM 1980 herausragte. Der und die souveräne Qualifikation zur WM 1982 in Spanien weckten allzu hohe Erwartungen, um dort mit einem zweiten Platz zufrieden sein - sicher auch wegen einiger Randerscheinungen, die eine strengere Hand vielleicht verhindert hätte. Im Oktober 1982 klagte Derwall: "Es wäre schön, wenn bei aller tiefschürfenden Kritik an dieser WM das Resultat eines Vizeweltmeistertitels nicht ganz vergessen würde." Doch die Nationalmannschaft steuerte in eine Krise, und nach dem Vorrundenaus bei der EM 1984 wurde Derwall als bis heute einziger Bundestrainer vor Vertragsende entlassen.

Denn es musste Platz geschaffen werden für "den Kaiser". Franz Beckenbauer hatte sich in eine Boulevardfalle locken lassen und wurde mit den Worten "Ich bin bereit" zitiert. Der 103-malige Auswahlspieler war die Hoffnung der Nation, er sah sich nur als Übergangslösung und wollte 1985 den Weg frei machen für Stuttgarts Meistertrainer Helmut Benthaus. Zum Glück fand Beckenbauer Gefallen an dem Job, führte Deutschland als Teamchef ins EM-Halbfinale 1988 und zweimal ins WM-Finale mit der Krönung von Rom am 8. Juli 1990. Der Mann, der nie einen Trainerschein gemacht hatte, verkörperte den Vorzug der Praxis vor der Theorie - und er war schlau genug, nach 66 Spielen am Höhepunkt abzutreten.

Vogts feiert EM-Titel 1996

Nicht ohne seinem Nachfolger Berti Vogts, mit dem er 1974 als Spieler Weltmeister geworden war und der im DFB-Jugendbereich schon Trainerkarriere gemacht hatte, einen Rucksack aufzubinden. "Ich glaube, dass die deutsche Mannschaft über Jahre hinaus nicht zu besiegen sein wird", so Beckenbauer. "Es tut mir leid für den Rest der Welt." Unter Vogts, dem punktbesten Bundestrainer (2,17 pro Spiel), verlor die Nationalmannschaft zwar bis 1998 nur zwölf von 102 Spielen, aber leider auch die falschen. Ein 0:2 im EM-Finale 1992 gegen die Dänen, ein 1:2 gegen Bulgarien 1994 und ein 0:3 gegen Kroatien 1998, jeweils im WM-Viertelfinale, verzieh die anspruchsvolle Öffentlichkeit nicht.

Genugtuung verschaffte ihm 1996 in England der dritte EM-Titel. Aber im September 1998 trat Vogts zermürbt als erster Bundestrainer mit laufendem Vertrag zurück, und Erich Ribbeck, der als Derwalls Assistent schon 1984 mit dem Job geliebäugelt hatte, kam zu seinem Recht. Es wurde die kürzeste Dienstzeit eines Bundestrainers, die nach 20 Monaten mit dem EM-Vorrundenaus 2000 im 24. Spiel endete. Weil der designierte Nachfolger Christoph Daum durch eigene Schuld plötzlich ausfiel, sprang der 40 Jahre alte Weltmeister Rudi Völler ein, wochenlang gar in Doppelrolle als Teamchef und Leverkusener Vereinstrainer.

Völler folgt auf Ribbeck, Klinsmann krempelt vieles um

"Rudi Riese" führte die Mannschaft nach den Mühen der Playoffs in Asien ins WM-Finale 2002 und wurde auf dem Frankfurter Römer begeistert gefeiert. Weil das nur ein kurzes Strohfeuer in der Düsternis der ersten Jahre des neuen Jahrtausends war und der Mangel an Spielerpersönlichkeiten zum Vorrundenaus bei der EM 2004 führte, trat auch Völler zurück - nach 53 Spielen. In Erinnerung blieb eine Wutrede im TV-Studio gegen seine Kritiker nach einem 0:0 auf Island, die ihm zwar peinlich war, aber noch mehr Sympathien einbrachte.

In die WM 2006 im eigenen Land sollte ein anderer gehen. Und man fand seinen Sturmpartner von Rom 1990 - Jürgen Klinsmann. Der Sunnyboy mit Wohnsitz in Kalifornien war 40 Jahre jung und entsprechend schwungvoll, krempelte vieles um, nominierte Talente, die in ihren Klubs auf der Bank saßen, steckte die Mannschaft in rote Trikots und verordnete Optimismus: "Wir wollen Weltmeister werden!" Das klappte bei der Heim-WM 2006 zwar nicht, aber der dritte Platz und die Art und Weise des Fußballs wurden im Lande weltmeisterlich gefeiert.

Flick beerbt Rekordtrainer Löw

Klinsmann aber war es zu wenig, er verlängerte den Vertrag nicht. So begann die 17-jährige Ära seines einstigen Assistenten Joachim Löw. Unter "Jogi" kam die Mannschaft in den ersten fünf Turnieren stets unter die letzten Vier: 2008 stand sie im EM-Endspiel und 2014 in Maracana im WM-Finale - es brachte Deutschland den vierten Stern. 2018 aber schied die DFB-Auswahl erstmals in einer WM-Vorrunde aus, 2021 war im EM-Achtelfinale Schluss - auch für Löw, den Bundestrainer mit den meisten Spielen (198) und Siegen (122).

Am 2. September 2021 debütierte Hans-Dieter Flick auf der DFB-Bank, der mit acht Siegen einen Startrekord aufstellte. Nach 14 Spielen gab es die erste Niederlage für "Hansi" - und schon die zweite (1:2 gegen Japan) verursachte das Vorrundenaus bei der WM 2022 in Katar. Aber der DFB vertraut dem Mann, der mit Bayern München in einem Jahr alle sechs möglichen Titel gewann weiter. Und so führt Flick Deutschland zur Heim-EM 2024 - und vorher ins 1000. Länderspiel.

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