100 Prozent Erfolgsquote in der WM-Qualifikationen

Am Samstag kam es zu einer Premiere in der DFB-Historie. In St. Petersburg wurden die WM-Qualifikationsgruppen für die Endrunde 2018 in Russland ausgelost. Das gab es schon öfter, neu aber ist, dass sich Deutschland als Weltmeister qualifizieren muss.

Nach den Titeln 1954, 1974 und 1990 blieb das der Nationalmannschaft erspart, nun gelten andere Regeln bei der FIFA. Grund zur Besorgnis herrscht nicht, einer anderen Tradition wird der Mannschaft hoffentlich treu bleiben: Sie hat sich noch immer qualifiziert - in 14 von 15 Qualirunden direkt, vor der WM 2002 in Japan und Südkorea über die Play-offs gegen die Ukraine (1:1 und 4:1). Für DFB.de lässt der Historiker Udo Muras Highlights der deutschen WM-Qualifikationsgeschichte Revue passieren.

WM 1934

Die leichteste Qualifikation war die erste. Vor der WM 1934 kam das Team von Trainer Otto Nerz mit Frankreich und Luxemburg in eine Gruppe. Gelost wurde nicht: "Die Zusammenstellung der Gruppen soll unter Berücksichtigung der geographischen Lage der teilnehmenden Länder erfolgen. Jede Gruppe kann das System, nach dem die Ausscheidungskämpfe ausgetragen werden sollen, selbst bestimmen", stand im kicker.

Dies war ein Tribut an die Lebensumstände. Auch Nationalspieler hatten Berufe in jenen Pioniertagen, eine Länderspielreise bedeutete für sie zunächst einmal Verdienstausfall. Als die Würfel gefallen waren, konnte der DFB schon vorsichtig für die WM planen. In einer Dreiergruppe mit Frankreich und Luxemburg würden zwei Mannschaften nach Italien fahren und niemand zweifelte daran, dass die Luxemburger das Nachsehen haben würden. Zunächst war es vorgesehen, dass jeder gegen jeden spiele. Aber nicht in Hin- und Rückspielen. Und jedes Team sollte ein Heim- und ein Auswärtsspiel bestreiten.

Vermutlich auf Initiative der Luxemburger kam es dann anders. Der Zwergstaat mit seinen damals 60.000 Einwohnern machte sich keine Illusionen und wollte wenigstens wirtschaftlich profitieren. Jedenfalls einigte man sich darauf, dass Luxemburg zwei Heimspiele bekäme. Da mit zwei Niederlagen zu rechnen sein musste, wäre ein drittes Spiel zwischen Deutschland und Frankreich dann irrelevant. Also spielten Frankreich und Deutschland jeweils in Luxemburg und schossen sich binnen 90 Minuten zur WM. Der deutsche Sieg am 11. März 1934 fiel etwas höher aus (9:1) als der französische (6:1) - somit durfte man sich Gruppensieger nennen.



Am Samstag kam es zu einer Premiere in der DFB-Historie. In St. Petersburg wurden die WM-Qualifikationsgruppen für die Endrunde 2018 in Russland ausgelost. Das gab es schon öfter, neu aber ist, dass sich Deutschland als Weltmeister qualifizieren muss.

Nach den Titeln 1954, 1974 und 1990 blieb das der Nationalmannschaft erspart, nun gelten andere Regeln bei der FIFA. Grund zur Besorgnis herrscht nicht, einer anderen Tradition wird der Mannschaft hoffentlich treu bleiben: Sie hat sich noch immer qualifiziert - in 14 von 15 Qualirunden direkt, vor der WM 2002 in Japan und Südkorea über die Play-offs gegen die Ukraine (1:1 und 4:1). Für DFB.de lässt der Historiker Udo Muras Highlights der deutschen WM-Qualifikationsgeschichte Revue passieren.

WM 1934

Die leichteste Qualifikation war die erste. Vor der WM 1934 kam das Team von Trainer Otto Nerz mit Frankreich und Luxemburg in eine Gruppe. Gelost wurde nicht: "Die Zusammenstellung der Gruppen soll unter Berücksichtigung der geographischen Lage der teilnehmenden Länder erfolgen. Jede Gruppe kann das System, nach dem die Ausscheidungskämpfe ausgetragen werden sollen, selbst bestimmen", stand im kicker.

Dies war ein Tribut an die Lebensumstände. Auch Nationalspieler hatten Berufe in jenen Pioniertagen, eine Länderspielreise bedeutete für sie zunächst einmal Verdienstausfall. Als die Würfel gefallen waren, konnte der DFB schon vorsichtig für die WM planen. In einer Dreiergruppe mit Frankreich und Luxemburg würden zwei Mannschaften nach Italien fahren und niemand zweifelte daran, dass die Luxemburger das Nachsehen haben würden. Zunächst war es vorgesehen, dass jeder gegen jeden spiele. Aber nicht in Hin- und Rückspielen. Und jedes Team sollte ein Heim- und ein Auswärtsspiel bestreiten.

Vermutlich auf Initiative der Luxemburger kam es dann anders. Der Zwergstaat mit seinen damals 60.000 Einwohnern machte sich keine Illusionen und wollte wenigstens wirtschaftlich profitieren. Jedenfalls einigte man sich darauf, dass Luxemburg zwei Heimspiele bekäme. Da mit zwei Niederlagen zu rechnen sein musste, wäre ein drittes Spiel zwischen Deutschland und Frankreich dann irrelevant. Also spielten Frankreich und Deutschland jeweils in Luxemburg und schossen sich binnen 90 Minuten zur WM. Der deutsche Sieg am 11. März 1934 fiel etwas höher aus (9:1) als der französische (6:1) - somit durfte man sich Gruppensieger nennen.

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WM 1938

So leicht wurde es nie wieder, auch wenn noch viele Gruppensiege folgen sollten. Vor der WM 1938 wurden alle drei Spiele gewonnen, beim abschließenden 5:0 gegen die Schweden in Hamburg debütierte ein gewisser Helmut Schön - er schoss zwei Tore. Der spätere Bundestrainer war bei den nächsten Qualispielen, nun auf dem Weg zum "Wunder von Bern", wieder dabei – aber auf gegnerischer Seite. In der deutschen Gruppe fanden sich Norwegen, das dem DFB-Team in Oslo den ersten Quali-Punkt überhaupt abknöpfte (1:1) sowie die Saar. Schön coachte die Auswahl des nach dem Krieg vorübergehend eigenständigen Saarlandes. Erstmals gab es Hin- und Rückspiele, der Fußball-Zwerg leistete tapferen Widerstand. Nach dem 3:1 in Saarbrücken kam Schön auf dem Bankett zum deutschen Tisch, gratulierte Sepp Herberger und sagte: "Wenn wir schon nicht Weltmeister werden können, dann sollt wenigstens ihr es schaffen." Gelächter überall. Neun Monate später wurde Schöns heiter vorgetragener Wunsch Wirklichkeit.

WM 1962 und 1966

Weshalb es acht Jahre keine Qualispiele mehr gab. Auf dem Weg nach Chile 1962, noch immer unter Sepp Herberger, gab es nur Siege und erneut den ersten Platz in der Gruppe mit Nordirland und Griechenland. Das 4:3 in Belfast war der erste deutsche Sieg auf der britischen Insel überhaupt. Bei der WM 1966 in England kamen einige hinzu, wieder wurde die Fahrkarte als Gruppensieger gelöst. Nun unter Helmut Schön, bei dessen Premiere als Bundestrainer erstmals ein Quali-Punkt auf eigenem Platz abgegeben wurde. Die Schweden hatten nach dem 1:1 in Berlin am 4. November 1964 die besseren Karten.

Das Rückspiel in Stockholm wurde zur Schicksalsstunde für die Schön-Ära. Der Bundestrainer ging hohes Risiko, baute auf Rekonvaleszent Uwe Seeler und den 20 Jahre alten Münchner Debütanten Franz Beckenbauer. Er wurde belohnt, Deutschland gewann dank Seelers Tor 2:1 und Beckenbauer überzeugte. Es war der Startschuss für eine Welt-Karriere.

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WM 1970

Auch auf dem Weg nach Mexiko gab es ein "Finale": Am 22. Oktober 1969 kamen die punktgleichen Schotten nach Hamburg. In Glasgow (1:1) hatte das DFB-Team zum zweiten Mal ein Qualispiel nicht gewonnen, es gab leichtere Gegner. Dichter Nebel lag über der Stadt, ein Ausfall drohte. Sie spielten dann doch, und als Stan Libuda mit seinem berühmtesten Tor zum 3:2 traf, schien die Sonne über Fußball-Deutschland.

Zuvor gab es in Essen den bis heute höchsten WM-Qualisieg des DFB – gegen das drittklassige Zypern waren Tore Dutzend-Ware (12:0).

WM 1982

Als Gastgeber (1974) und Titelverteidiger (1978) blieben dem DFB nun sogar acht Jahre Qualispiele erspart. Als Europameister hingegen war Deutschland nicht befreit und so ging es 1980 weiter. Mittlerweile waren fünf Mannschaften in einer Gruppe.

Unter Jupp Derwall wurde ein Rekord aufgestellt – acht Siege in acht Spielen bei 33:3 Toren. Schon nach dem sechsten, einem 3:1 in Wien, war der Fall geklärt. Wieder schoss ein Debütant zwei Tore: der Kölner Pierre Littbarski schlug am 14. Oktober 1981 in Wien prächtig ein. Kurios: Mit den Österreichern fand man sich bei der WM in Spanien erneut in einer Gruppe wieder.

WM 1986

Zur zweiten WM in Mexiko führte Teamchef Franz Beckenbauer die Deutschen. Bei einem Scheitern in der Quali wäre der Mann ohne Trainer-Lizenz zurückgetreten. Doch bereits nach dem sechsten von acht Spielen konnte der DFB Quartier und Flüge buchen. Wie bei seinem Länderspiel-Debüt 1965 buchte er fast auf den Tag genau 20 Jahre später nun als Trainer in Stockholm das WM-Ticket. Diesmal reichte schon ein Punkt (2:2).

Die allzu frühe Qualifikation dürfte der Hauptgrund dafür gewesen sein, dass aus den beiden letzten Heimspielen nur noch ein Punkt geholt wurde. Am 16. Oktober 1985 riss in Stuttgart eine historische Serie – gegen Portugal verlor Deutschland erstmals überhaupt ein WM-Qualispiel (0:1). Die Serie riss nach sagenhaften 36 Spielen.

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WM 1990

Auch auf die zweite Qualifikation unter kaiserlicher Ägide fiel ein kleiner Makel. Vor dem WM-Triumph in Italien wurde die Mannschaft erstmals nicht Gruppensieger. Drei Siege und drei Remis reichten zum zweiten Platz hinter Europameister Niederlande. Der war schon vor dem abschließenden Heimspiel in Köln gegen die Waliser sechs Tage nach dem Mauerfall sicher. Doch was war er wert? Außer den sieben Gruppensiegern qualifizierten sich zwei der drei besten Zweiten aus den Vierer-Gruppen.

Klingt kompliziert, aber die Konsequenz war einfach: Nur ein Sieg brachte die "Kaiserlichen" nach Italien. Im wohl dramatischsten WM-Qualifikationsspiel der DFB-Historie, bei dem Kapitän Lothar Matthäus gesperrt fehlte und Pierre Littbarksi einen Elfmeter verschoss, avancierte Lokalmatador Thomas Häßler zum Helden der Nation. Sein Volleyschuss zum 2:1 ebnete erst die Siegerstraße nach Rom. Dänemark blieb im Quervergleich als schwächster Zweiter auf der Strecke, es fehlte ein Punkt. Franz Beckenbauer setzte Häßler aus Dank für dieses Tor im Finale ein, wie er später zugab.

WM 1998

In die USA kamen sie ohne Quali-Mühen, die sie nach dem Viertelfinal-Aus dann wieder auf sich nehmen mussten. Als amtierender Europameister bestritten sie vor der WM in Frankreich erstmals zehn Qualispiele, denn Europas Staaten-Welt änderte sich nach dem Zerfall des Ostblocks. Ungeschlagen wurde die nun von Berti Vogts gecoachte Auswahl erneut Gruppensieger und die Liste der deutschen Länderspiel-Gegner wurde um zwei Namen erweitert: Armenien und die Ukraine.

Zu sechs Siegen gesellten sich vier Remis, so viele nicht gewonnene Spieler gab es nie. Ein Novum ergab das Spiel "in" Albanien, das wegen des Balkan-Konflikts aus Sicherheitsgründen im spanischen Granada ausgetragen wurde. Beim mühsamen 3:2 schoss Joker Ulf Kirsten drei Tore, Rekord für einen deutschen Nationalspieler, der von der Bank kam. Auch im Rückspiel machten die Albaner unerwartet große Probleme und schossen in Hannover (4:3) auf deutschem Boden erstmals drei Tore – für diesen Gruppensieg gab es den geringsten Beifall.

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WM 2002

Rudi Völler übernahm nach der EM 2000 das plötzlich sinkende DFB-Schiff und sollte es auf WM-Kurs halten. Mit England hatte man jene Mannschaft in der Gruppe, die die Deutschen bei der EM in der Vorrunde 1:0 geschlagen und das Ende der Ära Ribbeck ausgelöst hatte. Völlers Start gelang, dem 2:0 über Griechenland in Hamburg folgte

ein historisches 1:0 in Wembley. Es war an jenem 7. Oktober das letzte Spiel im traditionsreichen englischen Fußball-Tempel, der danach abgerissen und restauriert wurde. Dietmar Hamanns Freistoß ging als letztes Tor auf dem heiligen Wembley-Rasen in die Annalen ein.

Die Rache der Engländer war fürchterlich. Am 1. September 2001 hätte die deutsche Mannschaft die WM-Teilnahme mit einem Sieg klar machen können, auch bei einem Remis wäre nicht mehr viel passiert bei sechs Punkten Vorsprung. In München ging die Mannschaft durch Carsten Jancker sogar in Führung, aber dann kam der Einbruch. Angetrieben von David Beckham und dem dreimaligen Torschützen Michael Owen kamen die Briten zu

einem unvorstellbaren 5:1. Es ist bis heute die höchste deutsche Niederlage in einem Qualifikationsspiel überhaupt und in einem Heimspiel nach dem Krieg.

Unmittelbare Folge: Die Engländer zogen vorbei und verteidigten Platz eins, weil das Völler-Team auch im letzten Heimspiel gegen die Finnen Nerven zeigte (0:0). Nach 1990 gab es wieder mal nur einen zweiten Platz, die Engländer hatten dank des Kantersiegs in München eine bessere Tordifferenz. Jetzt bedeutete Platz zwei: Relegation. Ein überragender Michael Ballack trug im November 2001 mit drei Toren dazu bei, dass die Hürde Ukraine (1:1 in Kiew und 4:1 in Dortmund) genommen wurde. In Asien kam diese Mannschaft sogar ins Finale, woran die Ukraine-Spiele ihren Anteil hatten. "Das hat uns zusammengeschweißt", hörte man oft als Argument in jenen Tagen. 2006 war Deutschland Gastgeber, Jürgen Klinsmann konnte zwei Jahre nur Testspiele austragen.

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WM 2010 und 2014

Nachfolger Joachim Löw kam danach in die Verantwortung und hat die positive Tradition fortgesetzt. Auf dem Weg nach Südafrika gab es ebenso keine Niederlage wie auf dem nach Brasilien. Vor 2010 war Russland der härteste Rivale, ein 1:0 in Moskau durch ein Klose-Tor machte alles klar. Der Sieg wurde in den letzten 20 Minuten in Unterzahl errungen, da Jerome Boateng als erster Debütant der DFB-Historie vom Platz flog. Nur gegen die Finnen war nichts zu gewinnen, beim turbulenten 3:3 in Helsinki glich Klose die Führung der Gastgeber dreimal aus, im Rückspiel (1:1) fehlte nach vollendeter Qualifikation in Hamburg der letzte Biss.

Die "via triumphalis" nach Brasilien pflasterten neun Siege. Erstmals führte eine DFB-Reise nun auf die Färoer im Atlantik und zu einem seltenen Erlebnis auf Kunstrasen. In Erinnerung blieb aber das einzige Unentschieden. Gegen die Schweden spielte die Löw-Mannschaft in Berlin 60 Minuten so stark wie selten gesehen und führte 4:0, ehe der Schlendrian Einzug hielt. Am Ende hieß es 4:4, erstmals in der DFB-Historie wurde an jenem 16. Oktober 2012 ein Vier-Tore-Vorsprung verspielt. Das Spiel hatte sein Gutes, Löw konnte es seinen Spielern bei passender Gelegenheit auftischen, um jeden Anflug von Leichtsinn zu vertreiben.

Die deutsche Bilanz in der WM-Qualifikation spricht Bände: In 82 Spielen gab es 63 Siege und 17 Unentschieden bei nur zwei Niederlagen. Auswärts hat Deutschland dabei noch nie verloren. Kein Land der Welt kann das behaupten. Diesen stolzen Rekord gilt es zu verteidigen - und jenen, nie gescheitert zu sein. Gegen wen das bewerkstelligt werden soll, entscheidet sich am Samstag in St. Petersburg.