Vor einem Jahr: Regenschlacht von Recife

Vor einem Jahr - da war doch was. Sommer 2014, sieben Spiele bis zum Glück. Es begann in Salvador mit einem Traum, es endete in Rio mit dessen Erfüllung. Ein Jahr nach dem Triumph von Maracana lässt DFB.de die sieben deutschen Spiele bei der WM 2014 in Brasilien noch mal Revue passieren. Heute vor 365 Tagen - diesmal: Geschichten rund um das 1:0 im dritten und letzten Gruppenspiel gegen die USA am 26. Juni 2014 in Recife.

Eine Sache hatte die deutsche Nationalmannschaft im Rahmen der WM 2014 ziemlich schnell gelernt: das mit dem Regen, das ist in Brasilien so eine Sache. Beinahe täglich gab es im Campo Bahia buchstäblich aus heiterem Himmel sintflutartige Regengüsse, und so schnell diese gekommen waren, wichen sie wieder heiterem Himmel. In Recife war es vor dem Gruppenfinale gegen die USA ähnlich, lediglich ein Teil der Gleichung fehlte: Der Regen wollte einfach nicht weichen. Das Spiel gegen die Vereinigten Staaten wurde durch die vereinigten Regentropfen in Frage gestellt, der Himmel über Brasilien weinte derart ausdauernd und herzergreifend, dass die Vermutung naheliegt, der Himmel habe einen Blick in die Zukunft gewagt und in einer Vorschau das Halbfinale von Belo Horizonte zwischen der Selecao und dem DFB-Team gesehen.

Im Teamhotel der deutschen Nationalmannschaft gab es am Morgen des Spiels gegen das Team von Jürgen Klinsmann viele fragende Blicke, der Regen sorgte an vielen Stellen für regen Betrieb. Binnen zwölf Stunden war in Recife mehr Niederschlag gemessen worden als sonst durchschnittlich binnen zwölf Monaten. Die Telefone standen nicht mehr still. Ist der Platz bespielbar? Was sagt die FIFA? Wie kommen wir zum Stadion? Wann müssen wir los? Was ist mit den Fans? Sind die Straßen passierbar? Ist Mike Horn noch in der Nähe? Oder wenigstens der Fährmann, der das Team mit schöner Regelmäßigkeit über den Joao da Tiba befördert hatte?

Wenn Straßen zu Flüssen werden ...

Die Straßen waren zu Flüssen mutiert, die Anfahrt zur Arena Pernambuco geriet zur Schiffsreise. Der Weg führte die Nationalmannschaft die Küste des Atlantischen Ozeans entlang, vielfach war nicht mehr genau erkennbar, wo der Ozean endet und wo Recife beginnt. Einen Hinweis gaben die Schilder, die das Baden untersagten und vor der Gefahr durch Meerestiere warnten. Es war wirklich abenteuerlich an diesem 26. Juni in Recife, und hätten Haie dem Mannschaftsbus an der nächsten Kreuzung die Vorfahrt genommen, eine Sensation wäre dies an diesem Tag nicht mehr gewesen. In seinem WM-Blog schrieb Oliver Bierhoff am Tag darauf: "In Recife haben wir zum ersten Mal so richtig erlebt, welche Extreme Brasilien bereit hält. Ich glaube nicht, dass irgendeiner von uns jemals so viel Regen über einen so langen Zeitraum gesehen hat." Diese Bilder werden bleiben: eine Stadt unter Wasser, Venedig in Brasilien.

Ein Wunder war schon eher dies: Beide Mannschaften waren rechtzeitig im Stadion, im Übrigen auch alle Zuschauer, auch wenn dies vielfach anders dargestellt wurde. Und: Die Drainage leistete Erstaunliches. Der Rasen war nass, er war tief, er war schwer - aber war bespielbar. Spiel drei des DFB-Teams fand unter regulären Bedingungen statt.

Und unter einem unangebrachten historischen Vergleich. Die Skandalpartie der WM 1982 zwischen Deutschland und Österreich erlebte ein ungeahntes Revival, über der Partie in Recife schwebte der Geist von Gijon. Die Konstellation damals war so gestaltet, dass sowohl DFB-Team als auch ÖFB-Auswahl bei einem 1:0 Deutschlands im Turnier bleiben würden. Das Ergebnis war wie bestellt: In Gijon gewann Deutschland 1:0. Beide Teams kamen weiter, Algerien schied aus dem Turnier aus.



Vor einem Jahr - da war doch was. Sommer 2014, sieben Spiele bis zum Glück. Es begann in Salvador mit einem Traum, es endete in Rio mit dessen Erfüllung. Ein Jahr nach dem Triumph von Maracana lässt DFB.de die sieben deutschen Spiele bei der WM 2014 in Brasilien noch mal Revue passieren. Heute vor 365 Tagen - diesmal: Geschichten rund um das 1:0 im dritten und letzten Gruppenspiel gegen die USA am 26. Juni 2014 in Recife.

Eine Sache hatte die deutsche Nationalmannschaft im Rahmen der WM 2014 ziemlich schnell gelernt: das mit dem Regen, das ist in Brasilien so eine Sache. Beinahe täglich gab es im Campo Bahia buchstäblich aus heiterem Himmel sintflutartige Regengüsse, und so schnell diese gekommen waren, wichen sie wieder heiterem Himmel. In Recife war es vor dem Gruppenfinale gegen die USA ähnlich, lediglich ein Teil der Gleichung fehlte: Der Regen wollte einfach nicht weichen. Das Spiel gegen die Vereinigten Staaten wurde durch die vereinigten Regentropfen in Frage gestellt, der Himmel über Brasilien weinte derart ausdauernd und herzergreifend, dass die Vermutung naheliegt, der Himmel habe einen Blick in die Zukunft gewagt und in einer Vorschau das Halbfinale von Belo Horizonte zwischen der Selecao und dem DFB-Team gesehen.

Im Teamhotel der deutschen Nationalmannschaft gab es am Morgen des Spiels gegen das Team von Jürgen Klinsmann viele fragende Blicke, der Regen sorgte an vielen Stellen für regen Betrieb. Binnen zwölf Stunden war in Recife mehr Niederschlag gemessen worden als sonst durchschnittlich binnen zwölf Monaten. Die Telefone standen nicht mehr still. Ist der Platz bespielbar? Was sagt die FIFA? Wie kommen wir zum Stadion? Wann müssen wir los? Was ist mit den Fans? Sind die Straßen passierbar? Ist Mike Horn noch in der Nähe? Oder wenigstens der Fährmann, der das Team mit schöner Regelmäßigkeit über den Joao da Tiba befördert hatte?

Wenn Straßen zu Flüssen werden ...

Die Straßen waren zu Flüssen mutiert, die Anfahrt zur Arena Pernambuco geriet zur Schiffsreise. Der Weg führte die Nationalmannschaft die Küste des Atlantischen Ozeans entlang, vielfach war nicht mehr genau erkennbar, wo der Ozean endet und wo Recife beginnt. Einen Hinweis gaben die Schilder, die das Baden untersagten und vor der Gefahr durch Meerestiere warnten. Es war wirklich abenteuerlich an diesem 26. Juni in Recife, und hätten Haie dem Mannschaftsbus an der nächsten Kreuzung die Vorfahrt genommen, eine Sensation wäre dies an diesem Tag nicht mehr gewesen. In seinem WM-Blog schrieb Oliver Bierhoff am Tag darauf: "In Recife haben wir zum ersten Mal so richtig erlebt, welche Extreme Brasilien bereit hält. Ich glaube nicht, dass irgendeiner von uns jemals so viel Regen über einen so langen Zeitraum gesehen hat." Diese Bilder werden bleiben: eine Stadt unter Wasser, Venedig in Brasilien.

Ein Wunder war schon eher dies: Beide Mannschaften waren rechtzeitig im Stadion, im Übrigen auch alle Zuschauer, auch wenn dies vielfach anders dargestellt wurde. Und: Die Drainage leistete Erstaunliches. Der Rasen war nass, er war tief, er war schwer - aber war bespielbar. Spiel drei des DFB-Teams fand unter regulären Bedingungen statt.

Und unter einem unangebrachten historischen Vergleich. Die Skandalpartie der WM 1982 zwischen Deutschland und Österreich erlebte ein ungeahntes Revival, über der Partie in Recife schwebte der Geist von Gijon. Die Konstellation damals war so gestaltet, dass sowohl DFB-Team als auch ÖFB-Auswahl bei einem 1:0 Deutschlands im Turnier bleiben würden. Das Ergebnis war wie bestellt: In Gijon gewann Deutschland 1:0. Beide Teams kamen weiter, Algerien schied aus dem Turnier aus.

###more###

Gijon erlebt kein Revival

32 Jahre später bot sich bei der WM 2014 vor dem Spiel zwischen Deutschland und den USA eine ähnliche Konstellation: Ein Unentschieden würde beiden Mannschaften zum Einzug ins Achtelfinale genügen, unabhängig davon welches Resultat Ghana und Portugal im Parallelspiel erzielen würden. Einigen schwante Böses, Gijon war in jedem Mund. Dann wurde es Hansi Flick zu bunt. Der Assistenztrainer sah sich veranlasst, eine Selbstverständlichkeit noch einmal öffentlich zu betonen. "Es wird natürlich keinerlei Absprachen geben", sagte er: "Wir werden den Teufel tun, auf Remis zu spielen."

Im Regen von Recife spielte Deutschland also nicht auf Remis – und auch die USA rechneten sich unbegrenzte Möglichkeiten aus. US-Coach Jürgen Klinsmann hatte vor der Partie die eigenen Stärke beschworen. "Wir werden jedes Jahr stärker, und das ist nun unsere große Bühne, um zu zeigen, wie gut wir geworden sind", sagte er: "Wir sind nicht mehr der Underdog, als den uns viele sehen."

Beide Teams wollten das Remis verhindern, und ein Spieler trat die Gerüchte um eine Absprache mit Füßen. Ein Spieler, der zwar nicht beim TSV Regen in Niederbayern das Fußballspielen gelernt hat, dafür beim TSV Pähl in Oberbayern: Thomas Müller. Sein Tor im Ticker: In Recife läuft die 55. Minute. Ecke Deutschland. Özil führt kurz aus, legt den Ball zu Kroos, der lässt prallen, Özil nimmt den Ball direkt. Das Leder fliegt mit einer Kurve in den Strafraum. Mertesacker löst sich, wuchtet das Spielgerät per Kopf aufs Tor. Der Ball des Langen geht aufs lange Eck, aber nicht ins Tor, Howard ist schnell am Boden und klärt.

Müller nimmt Maß

Soweit die Vorgeschichte. Nun zum Klimax: Nach der Parade von Howard rollt der Ball vor die Füße von Müller. Und der nimmt Maß. Mit der Innenseite streichelt der Deutsche den Ball ins rechte Eck, vorbei an vielen Beinen und zwei Händen. Ein Tor wie eine Gemälde, ein ästhetischer Hochgenuss. Sehr zur Verwunderung auch des Künstlers. "Jetzt habe ich tatsächlich mal ein schönes Tor geschossen", sagte Müller. Und ergänzte in Müller-Manier: "Mir fällt halt auch mal einer vor den Fuß. Ich habe mich aufs lange Eck konzentriert, das hat funktioniert." Und warum hat es funktioniert? "Weil ich ja den ganzen Tag nichts anderes mache, als zu trainieren wie ein Wahnsinniger."

Müllers Treffer blieb der einzige des Spiels, das DFB-Team hatte gewonnen. Drei Punkte, das Spiel und die Gruppe. Gesiegt hatte die Mannschaft auch über Vorurteile und die Vergangenheit. Mit Blick auf Gijon schrieb die spanische Zeitung As: "Müller wäscht Deutschlands Namen nach 32 Jahren rein. Sein Tor entschied das Spiel, in dem die Deutschen überlegener waren." In El Pais war zu lesen: "Die Deutschen sprechen das Resultat nicht wie vor 32 Jahren ab und schlagen die USA knapp. Zum Glück für den Fußball wurde zwischen Deutschland und den USA sauber gespielt."

Das Löw-Team hatte das Spiel gewonnen, auf dem Rasen in Recife standen dennoch zwei Sieger. Nach Schlusspfiff wanderten die Blicke sofort nach Brasilia. Und schnell stand fest. Auch Klinsmann und die USA konnten Jubeln. Portugal hatte die Amerikaner nicht im Regen stehen lassen, das 2:1 gegen Ghana hatte dieses Tabellenbild zur Folge: Deutschland wurde mit sieben Punkten Gruppenerster, die USA mit vier Punkten aufgrund des besseren Torverhältnisses Zweiter vor Portugal. Dem Regentag in Recife wurde in Brasilia die Botschaft verliehen. Portugal hatte mit einem Sieg im finalen Spiel für einen versöhnlichen Turnierausklang gesorgt. Und in Recife für das Fehlen von Niedergeschlagenheit - trotz des vielen Niederschlags.