Polen-Spiele: Wasserschlacht, Neuvilles Sommermärchen, Poldi-Gala

80 Jahre, 20 Spiele, eine Niederlage: Deutscher Erfolg hat Tradition in Länderspielen gegen Polen. Und doch hat es nie einen leichten Sieg gegeben. Für DFB.de beleuchtet der Historiker Udo Muras vor dem zweiten Gruppenspiel bei der EURO 2016 in Frankreich heute Abend (ab 21 Uhr, live im ZDF und Fan-Club-Radio) gegen das Team um Topstürmer Robert Lewandowski die Geschichte eines Nachbarschaftsduells, das bis heute im Zeichen einer "Wasserschlacht" steht.

1933: Erstes Spiel, erster deutscher Sieg

Es lief schon die letzte Minute im Berliner Poststadion, wo 35.000 Zuschauer an diesem 3. Dezember 1933 einen unvergnüglichen Nachmittag verbracht hatten. Nicht nur die Spieler litten unter den winterlichen Bedingungen, und viel fehlte nicht mehr zum großen Pfeifkonzert. Da passte Ludwig Lachner von 1860 München den Ball noch einmal in den polnischen Strafraum, und auch dank des hartgefrorenen Bodens verpasste ihn die Innenverteidigung, so dass Josef Rasselnberg vom VfL Benrath doch noch das erlösende 1:0 schoss.

Ein Auftakt mit Symbolwert: Am Ende lachen fast immer die Deutschen, aber nie bekamen sie etwas geschenkt von den Polen. Reichstrainer Otto Nerz kommentierte: "Gute Spieler spielen nicht immer gut." Für die Aufstellung war übrigens - so war das damals - nicht Nerz, sondern an diesem Tag auf Bitten des DFB Alfred Birlem, Berlins berühmtester Schiedsrichter, zuständig. Er sollte die Berliner Interessen berücksichtigen.

1934: Der höchster Sieg

Wichtiger als Aufstellung und Ergebnis war die Aufnahme der Länderspiel-Beziehungen an sich. Nach dem Ersten Weltkrieg waren die Beziehungen gespannt, und polnische Bestrebungen nach einem Länderspiel wurden lapidar abgetan mit dem Spruch: "Nur im Tausch gegen den Korridor." Seit 1919 trennte ein kleiner Landstreifen an der Ostsee, der an Polen gefallen war, Ost- von Westpreußen. Nun war das Eis gebrochen, und bis Kriegsausbruch 1939 kam es zu vier weiteren Spielen. Das vereinbarte Rückspiel in Warschau am 9. September 1934 ist das bis dato torreichste, aber selbst der deutsche 5:2-Auswärtssieg war ein hartes Stück Arbeit - führten die Polen doch noch bis zur 70. Minute 2:1. Durch das völlig überfüllte Warschauer Stadion, in dem 30.000 Zuschauer Platz fanden und vor dem noch mal so viele warteten, schallten die "Polska"-Rufe. Dann drehten Tore von Karl Hohmann, Otto Siffling, Ernst Lehner per Elfmeter und Fritz Szepan das Spiel.

Nun war nur noch der deutsche Schlachtruf "Germania - Ra-Ra-Ra", der bei der WM 1934 erfunden worden war, zu hören. Nach Abpfiff wurden die Deutschen von ihren Anhängern vom Platz getragen. So also begann es. Auch das zweite Heimspiel endete 1:0, Edmund Conen traf 1935 in Breslau, und die Zuschauer riefen enttäuscht: "Wir wollen Tore sehen!" Und auch: "Wo bleibt der deutsche Sturm?" Die polnische Defensive war das Produkt deutscher Wertarbeit, die Mannschaft wurde damals vom Ex-Schalker Kurt Otto trainiert. Es war das erste DFB-Länderspiel, in dem ein Landsmann auf der gegnerischen Bank saß.



80 Jahre, 20 Spiele, eine Niederlage: Deutscher Erfolg hat Tradition in Länderspielen gegen Polen. Und doch hat es nie einen leichten Sieg gegeben. Für DFB.de beleuchtet der Historiker Udo Muras vor dem zweiten Gruppenspiel bei der EURO 2016 in Frankreich heute Abend (ab 21 Uhr, live im ZDF und Fan-Club-Radio) gegen das Team um Topstürmer Robert Lewandowski die Geschichte eines Nachbarschaftsduells, das bis heute im Zeichen einer "Wasserschlacht" steht.

1933: Erstes Spiel, erster deutscher Sieg

Es lief schon die letzte Minute im Berliner Poststadion, wo 35.000 Zuschauer an diesem 3. Dezember 1933 einen unvergnüglichen Nachmittag verbracht hatten. Nicht nur die Spieler litten unter den winterlichen Bedingungen, und viel fehlte nicht mehr zum großen Pfeifkonzert. Da passte Ludwig Lachner von 1860 München den Ball noch einmal in den polnischen Strafraum, und auch dank des hartgefrorenen Bodens verpasste ihn die Innenverteidigung, so dass Josef Rasselnberg vom VfL Benrath doch noch das erlösende 1:0 schoss.

Ein Auftakt mit Symbolwert: Am Ende lachen fast immer die Deutschen, aber nie bekamen sie etwas geschenkt von den Polen. Reichstrainer Otto Nerz kommentierte: "Gute Spieler spielen nicht immer gut." Für die Aufstellung war übrigens - so war das damals - nicht Nerz, sondern an diesem Tag auf Bitten des DFB Alfred Birlem, Berlins berühmtester Schiedsrichter, zuständig. Er sollte die Berliner Interessen berücksichtigen.

1934: Der höchster Sieg

Wichtiger als Aufstellung und Ergebnis war die Aufnahme der Länderspiel-Beziehungen an sich. Nach dem Ersten Weltkrieg waren die Beziehungen gespannt, und polnische Bestrebungen nach einem Länderspiel wurden lapidar abgetan mit dem Spruch: "Nur im Tausch gegen den Korridor." Seit 1919 trennte ein kleiner Landstreifen an der Ostsee, der an Polen gefallen war, Ost- von Westpreußen. Nun war das Eis gebrochen, und bis Kriegsausbruch 1939 kam es zu vier weiteren Spielen. Das vereinbarte Rückspiel in Warschau am 9. September 1934 ist das bis dato torreichste, aber selbst der deutsche 5:2-Auswärtssieg war ein hartes Stück Arbeit - führten die Polen doch noch bis zur 70. Minute 2:1. Durch das völlig überfüllte Warschauer Stadion, in dem 30.000 Zuschauer Platz fanden und vor dem noch mal so viele warteten, schallten die "Polska"-Rufe. Dann drehten Tore von Karl Hohmann, Otto Siffling, Ernst Lehner per Elfmeter und Fritz Szepan das Spiel.

Nun war nur noch der deutsche Schlachtruf "Germania - Ra-Ra-Ra", der bei der WM 1934 erfunden worden war, zu hören. Nach Abpfiff wurden die Deutschen von ihren Anhängern vom Platz getragen. So also begann es. Auch das zweite Heimspiel endete 1:0, Edmund Conen traf 1935 in Breslau, und die Zuschauer riefen enttäuscht: "Wir wollen Tore sehen!" Und auch: "Wo bleibt der deutsche Sturm?" Die polnische Defensive war das Produkt deutscher Wertarbeit, die Mannschaft wurde damals vom Ex-Schalker Kurt Otto trainiert. Es war das erste DFB-Länderspiel, in dem ein Landsmann auf der gegnerischen Bank saß.

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1936: Das erste Unentschieden

Im Spiel eins nach dem Olympiadebakel 1936 in Berlin gab es in Warschau auch den ersten Fleck auf der weißen deutschen Weste. In den Wirren um die beabsichtigte Ablösung von Trainer Nerz führte erstmals Sepp Herberger die Mannschaft. Aber nur in Vertretung, Nerz kam noch mal kurz zurück. Statistiker streiten bis heute, ob das 1:1 von Warschau Herbergers Debüt war oder nicht. Antwort: offiziell nicht.

Im September 1938 war er längst am Ruder und verantwortete den bis heute höchsten Heimsieg (4:1), bei dem der Koblenzer Josef Gauchel (drei Tore) einen Glanztag erwischte. Den meisten Jubel erntete jedoch der Sachse Helmut Schön, der nach seiner zweiten Meniskusoperation sein Comeback mit einem Tor krönte. Es war für 21 Jahre das letzte Länderspiel zwischen den Nachbarn, die beim Wiedersehen 1959 keine mehr waren. Europa und Deutschland waren in Ost und West geteilt, es kostete Überwindung, wieder aufeinander zuzugehen. Aber nachdem selbst die Russen 1955 wieder gegen die DFB-Auswahl gespielt hatten, wurden auch wieder Bande zu den Polen geknüpft. Am 20. Mai 1959 traten sie in Hamburg an und standen dicht vor dem ersten Sieg, ehe Amateur Erwin Stein von der zweitklassigen Spielvereinigung Griesheim 02 bei seinem Debüt noch der späte und beinahe schmeichelhafte Ausgleich gelang. Sein 1:1 war erst das dritte Jokertor in der DFB-Historie.

1971: Drei Müller-Tore für die EM-Qualifikation

Das vereinbarte Rückspiel im Oktober 1961 in Warschau litt unter Spannungen auf politischer Ebene. Weil die polnische Regierung 18 von 35 angemeldeten deutschen Journalisten die Einreise verweigerte, blieben aus Solidarität alle Kollegen fern. Die Kunde vom verdienten 2:0-Auswärtssieg durch Tore von Albert Brülls und Helmut Haller gelangte trotzdem in die Heimat.

Zehn Jahre später stieg an selber Stätte das erste Pflichtspiel. Vor 100.000 Zuschauern ging es 1971 um die EM-Qualifikation, und der dreimalige Torschütze Gerd Müller verdarb dem legendären Polen-Keeper Tomaszewski sein Debüt. "In Warschau soll erst mal einer gewinnen", pustete Bundestrainer Schön durch. Die Klasse des Gegners wurde auch beim 0:0 im Rückspiel deutlich, als das Publikum bei Hamburger Schmuddelwetter wieder mal pfiff - trotz der Qualifikation für das Viertelfinale.

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1974: Erst "Wasserschlacht", dann WM-Triumph

Wie 1972 führte der Weg zum Titel auch 1974 über Polen, das bei der WM in Deutschland seine wohl beste Mannschaft beisammen hatte. Und noch heute gibt es in Polen Menschen, die schwören, ihre Mannschaft hätte am 3. Juli in Frankfurt unter regulären Bedingungen niemals verloren. Im letzten Zwischenrundenspiel, das quasi ein Halbfinale war, wurde Fußballgeschichte geschrieben. Ein überaus heftiger Sommerregen in den Stunden vor dem Anpfiff machte aus dem Spiel eine legendäre "Wasserschlacht", die nur aufgrund des engen Zeitplans ausgetragen wurde.

Mit 40-minütiger Verspätung, die Feuerwehrkräfte und Ordner mit Walzen und Schläuchen bedingt erfolgreich zur "Trockenlegung" nutzten, pfiff der Österreicher Erich Linemayr an. Im ARD-Studio wurde noch die Zuschauerfrage gestellt, ob es erlaubt sei, barfuß zu spielen. Es hätte nichts geändert, manch gut gemeinter Ball strandete in einer Pfütze. Wenn an diesem Tag einer in der Lage war, ein Tor zu schießen, dann Gerd Müller. Und tatsächlich erlöste der "Bomber" in der 75. Minute die Nation, die nach Uli Hoeneß' verschossenem Elfmeter noch gezweifelt hatte am Finaleinzug. Neben Müller war Torwart Sepp Maier der zweite Held des Tages, er hielt eigentlich scheinbar unhaltbare Freistöße von Gadocha und Deyna.

Vier Jahre später schrieben die Partner wieder WM-Geschichte - das 0:0 in Buenos Aires gilt als schlechtestes Eröffnungsspiel aller Zeiten. Übergroße Nervosität und ein holpriger Platz prägten ein "Spiel zum Abgewöhnen", wie Polens Trainer Jacek Gmoch ohne Widerspruch richtete. Es blieb für 28 Jahre das letzte Pflichtspiel. Dreimal sah man sich bis dahin in Freundschaft, dreimal siegte Deutschland: 1980 in Frankfurt (3:1), als sich der kommende Europameister einspielte, 1981 in Chorzow (2:0) und 1996 in Zabrze (2:0), als deutsche Anhänger aus der Rolle fielen, wurde die Erfolgsserie fortgesetzt.

2006: Die Sommermärchen beginnt

Im zweiten Spiel der Heim-WM 2006 kam es in Dortmund wieder zu einem legendären Spiel, in dem die tapferen Polen bis zur ersten Minute der Nachspielzeit ein überaus glückliches 0:0 verteidigten. Da schlug WM-Debütant David Odonkor eine letzte Flanke auf den anderen Joker Jürgen Klinsmanns - Oliver Neuville. Der drückte den Ball mit langem Bein über die Linie und sorgte für eine Gefühlsexplosion im ganzen Land.

"Bei der Flanke wusste ich gar nicht, ob da jemand stand", gab Odonkor offenherzig zu. Für die Polen bedeutete das Last-Minute-Tor das vorzeitige Aus, für die Deutschen war es die Initialzündung für eine wunderbare WM. Mit Miroslav Klose und Lukas Podolski standen zwei im DFB-Team, die polnische Wurzeln haben und sich etwas dezenter freuten.

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2008: Podolskis Doppelschlag besiegt Polen

Zum Auftakt der EM 2008 in Klagenfurt wiederholte sich das Gefühlsdilemma besonders für Lukas Podolski, der beim 2:0 beide Tore schoss und doch "aus Respekt nicht gejubelt" hat, denn "das Land liegt mir am Herzen". Und es liegt der deutschen Mannschaft, die bei Turnieren nie ein Tor gegen die Polen kassiert hat. Am 6. September 2011 wäre in Danzig um ein Haar die andere Serie gerissen, nach Jakub Blaszczykowskis Elfmeter zum 2:1 in der 90. Minute war der erste polnische Sieg zum Greifen nahe. Doch noch im Gegenzug glich Joker Cacau aus.

Am 13. Mai 2014 kam es zu einem sportlich bedingt wertvollen Testspiel in Hamburg, das doch in die DFB-Annalen einging. Im Vorfeld der WM kam es zum Talentecasting, Joachim Löw testete die zweite bis dritte Garde. Zwölf Debütanten sorgten für einen Rekord, der Altersschnitt von 21,87 der Startelf für einen zweiten - jünger war noch keine. Der 20-jährige Julian Draxler avancierte zudem zum jüngsten DFB-Kapitän, er hatte ja schon elf Länderspiele. Auch Polen verzichtete auf etliche Stars. Gewinner des 0:0 war Christoph Kramer, den Löw noch mit zur WM nahm, wo er im Finale sogar von Beginn an auflief.

2014: Die erste Niederlage - als Weltmeister

Ausgerechnet als amtierender Weltmeister setzte es im 19. Spiel die erste deutsche Niederlage gegen Polen. In Warschau kam es am 11. Oktober 2014 zu einem EM-Qualifikationsspiel, in dem vieles gut war, das Ergebnis aber nicht. Nach Chancen (10:2) und Ecken (6:0) war Deutschland weit überlegen, aber die Gastgeber schossen vor 56.934 Zuschauern die Tore. Der Ex-Augsburger Arkadiusz Milik, damals bei Ajax Amsterdam, köpfte nach 51 Minuten das 1:0 - es war die erste echte Chance.

Joachim Löw wechselte Lukas Podolski ein, der sogleich die Latte traf. Polens Joker dagegen stach: Nach Robert Lewandowskis Vorlage fiel das 2:0 durch Sebastian Mila (88.). Der kicker schrieb: "Dieser historische Sieg der Polen war kein wirklich verdienter Erfolg. Ohne Wasser in den Wein schütten zu wollen: Die Überlegenheit des Weltmeisters erschien teilweise erdrückend." Bundestrainer Löw, der die erste Niederlage nach 33 Qualifikationsspielen quittieren musste, beschwichtigte: "Ich sehe jetzt keine großen Probleme für die Qualifikation."

Nach dem Rückspiel am 4. September 2015 sah die auch sonst niemand. Aber auch in Frankfurt wehrten sich die Polen beachtlich. Drei Spieler in der deutschen Startelf waren keine Weltmeister: Mit Emre Can gab Löw einem Debütanten als Rechtsverteidiger eine Chance, links verteidigte Jonas Hector, vor ihm stürmte Karim Bellarabi. Sie alle trugen zum besten Spiel des Jahres 2015 ihren Teil bei. Der Weltmeister erwischte einen Traumstart, Thomas Müller (12.) und Mario Götze (19.) legten zwei Tore vor. Dann kam der Schlendrian auf, Robert Lewandowski köpfte noch vor der Pause (36.) das 2:1. Das Spiel wogte hin und her, ehe es Götze mit seinem zweiten Tor (82.) entschied. 48.500 Zuschauer jubelten, abzüglich der lautstarken polnischen Fankolonie.

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