Duelle mit Argentinien: Maradona, Brehme, Götze und mehr

Deutschland gegen Argentinien, Mittwoch (ab 20.45 Uhr, live im ZDF), Ortstermin in Düsseldorf - ein ganz besonderes Duell im Weltfußball. Allein dreimal lautete so die Finalpaarung einer WM. Das ist ein Rekord, das allein macht das Spiel zum Klassiker.

Mehr noch: Nur gegen ein Land, nämlich das frühere Jugoslawien, hat Deutschland noch häufiger bei einer Weltmeisterschaft gespielt. Argentinien stand dem DFB-Team siebenmal gegenüber. Dabei vergingen 50 Jahre DFB-Historie, ehe sich die Auswahlteams erstmals trafen. Für DFB.de erinnert der Autor und Historiker Udo Muras die Höhepunkte eines einzigartigen Ländervergleichs.

1958: "Argentinien muss die größere Klasse der Deutschen anerkennen"

Gleich bei der Premiere ging es um viel, es war das Auftaktspiel zur Fußball-WM 1958 in Schweden. In Malmö traf der amtierende Weltmeister mit noch vier Helden von Bern auf die Argentinier, die sich auf Geheiß des Unparteiischen verkleiden mussten. Es war ein Fernsehspiel und die blau-weiß gestreiften Dresse ähnelten den weißen der Deutschen zu sehr. Jedenfalls für Schwarz-Weiß-Zuschauer. Also schlüpften die Argentinier in gelbe Trikots von Malmö FF. Am Ende hieß es 3:1 für Deutschland, und die Tageszeitung Die Welt analysierte: "Als sich aber die Abwehr der Deutschen gefügt hatte, begann mit unglaublicher Präzision Herbergers System zu funktionieren. Alfred Schmidt fand Kontakt zu Uwe Seeler und Schäfer, und augenblicklich fasste auch Fritz Walter Fuß und mit ihm der unglaubliche Helmut Rahn, der das Chaos in den Stiefeln hat." Aus diesen Stiefeln feuerte er zwei unhaltbare Bälle ins Tor, einen aus 30 Metern. Seeler sorgte für das 2:1.

Leider stand das erste Treffen im Zeichen der Unfairness: Sepp Herberger beklagte hinterher drei Verletzte, aber auch Argentiniens Technischer Direktor Guilermo Stabile fand harte Worte: "Wir sind an keinen so gewalttätigen Fußball gewöhnt." Runde eins ging aber verdient an Deutschland, und das gab auch die argentinische Presse zu. La Prensa schrieb: "Die Argentinier mussten klar die größere Klasse der deutschen Mannschaft anerkennen."

1966: "Böser Fußball im Villa-Park"

So viel Objektivität hätte man sich auch nach dem zweiten Treffen gewünscht. Wieder war es ein WM-Gruppenspiel, 1966 in Birmingham. "Es war böser Fußball im Aston Villa-Park", schrieb Die Welt nach dem 0:0, von "Anti-Fußball" sprach gar DFB-Pressechef Dr. Gerhardt. Das gelangweilte neutrale Publikum rief schon bald demonstrativ nach der englischen Mannschaft. "Torchancen kamen so selten vor wie Walfische im Rhein", witzelte Die Welt hintergründig, denn im Mai 1966 hatte sich tatsächlich ein Wal in den Rhein verirrt. Keine Tore, viele Fouls und ein Platzverweis für Argentiniens Jorge Albrecht – das war die Bilanz von Birmingham.

"Der Franz Beckenbauer hat sich zum Schluss nicht mehr in die Offensive getraut, sie hatten alle Angst", beklagte Bundestrainer Helmut Schön die rustikale Spielweise des Gegners. Die Sport-Illustrierte schrieb: "Für Pampas-Stiere ist in Fußball-Stadien kein Platz, jedenfalls nicht in europäischen."

Der Klassiker hatte einen schweren Start, Liebe auf den ersten Blick war es sicher nicht. Das Verhältnis besserte sich, als man sich in Testspielen gegenüber stand, die im Zeichen von Gastgeschenken standen. Im Februar 1973 verlor die DFB-Auswahl in München nach schwacher Leistung mit 2:3 und die Westdeutsche Zeitung schrieb hämisch, dass Deutschland "in dieser Formation höchstens Weltmeister im Kegeln werden kann". Es kam anders.

1977: Erster Auftritt in Argentinien

Im Juni 1977 strömten beim ersten DFB-Gastspiel überhaupt in Argentinien 68.000 Menschen ins Boca Juniors-Stadion zu Buenos Aires, um den amtierenden Weltmeister im Fußball zu sehen. Der siegte trotz strapaziöser Anreise (25 Flug-Stunden mit drei Zwischenlandungen) nach zwei Fischer-Toren und einem Treffer von Bernd Hölzenbein souverän mit 3:1. Den einzigen Misston gab es vor dem Spiel, als Luis Cesar Menotti das Treffen der Trainer in einer Fernsehsendung schwänzte, während Helmut Schön sich extra von der Polizei mit Blaulicht im Höllentempo ins Studio hatte eskortieren lassen.

Beim nächsten Wiedersehen 1979 waren die Rollen wieder verkehrt, nun kam Argentinien als Weltmeister nach Berlin, wo man sich mehr als 45.000 Zuschauer gewünscht hätte. Sah man doch ein 2:1 (DFB-Tore: Rummenigge, Allofs) und somit den ersten von bis dato nur zwei Heimsiegen gegen die Südameri-kaner, die offenbar nur in der Hauptstadt zu bezwingen sind. So war es danach noch 1988 beim Vier-Länder-Turnier (1:0) und 2006 beim WM-Viertelfinale, allerdings erst im legendären Elfmeterschießen.

1981: Niederlage bei der "Mini-WM"

Die Revanche für Berlin 79 fand an Neujahr 1981 in Montevideo bei der Mini-WM statt. Uruguay hatte alle Ex-Weltmeister zu einem Turnier geladen, weil der Verband Jubiläum feierte. Hier riss die bis heute längste Erfolgsserie in der DFB-Geschichte. Nach 23 Spielen ohne Niederlage verlor das Team von Bundestrainer Jupp Derwall erstmals wieder – und das sehr unglücklich. Noch bis zur 85. Minute hieß es 1:0, am Ende aber 1:2. Ein Eigentor von Manni Kaltz brachte die Wende. Dabei hätte er "nur wegbleiben müssen, ich hatte den Ball schon in meiner Einkaufstasche", jammerte Torwart Toni Schumacher.

Es war übrigens die erste Begegnung mit dem Wunderknaben Diego Maradona, von dem alle Welt tatsächlich schwärmte. Der Pfälzer Hans-Peter Briegel hatte ihn aber gut im Griff, trotz schlechter Ahnungen: "Als ich ihn sah, bekam ich erst mal einen Schreck. Der sah so klein und schmächtig aus dass ich dachte: mit dem kommst du nie zurecht." Kam er doch, wenngleich er sich eine Gelbe Karte einhandelte. Maradona lobte Briegel hinterher als besten Gegenspieler seiner Karriere – aber da war er erst 20.

1982: Matthäus und der Beginn eines Dauerduells

In der Folge bekam er es aber mit Lothar Matthäus zu tun, der rein körperlich besser zu ihm passte. Als man sich vor der WM 1982 in Buenos Aires (1:1) wieder traf, überzeugte der 20-jährige Gladbacher auch den Bundestrainer. "Wer hätte denn vorher geglaubt, dass außer Briegel noch einer so gut gegen Maradona bestehen könnte wie Matthäus?" fragte Jupp Derwall.

Zwischen den beiden Weltstars entstand über die Jahre hin auch aufgrund gemeinsamer Jahre in Italien eine kameradschaftliche Beziehung, die dem deutsch-argentinischen Verhältnis durchaus gut tat. "Ich möchte nicht von Freundschaft sprechen, aber wir sind uns menschlich näher gekommen", sagte Matthäus einmal.

Der Klassiker erlebte mit diesen beiden Rivalen und unter Teamchef Franz Beckenbauer seine packendsten Momente. Dabei vermiesten die Gauchos dem Fußball-Kaiser im September 1984 in Düsseldorf (1:3) noch den Einstand. Niemand ahnte zu diesem Zeitpunkt, die Finalisten der kommenden WM in Mexiko gesehen zu haben.

1986: Maradona auf dem Zenit

Aber am 29. Juni 1986 war es so weit: Argentinien hatte sich ins Finale gezaubert, Deutschland gekämpft. Der gegenseitige Respekt war riesig. Jorge Valdano hat Jahre später erzählt, was in der Kabine der Argentinier vor dem Anpfiff los gewesen war: "Plötzlich begann Maradona laut nach seiner Mutter zu rufen. 'Tota', so heißt sie, 'Tota komm und hilf mir, ich habe Angst, du musst mich beschützen.' Die Botschaft an uns war: wenn ihr Angst habt, keine Sorge, ich habe auch Angst. Und er war das Genie des Weltfußballs."

Dem Lothar Matthäus an diesem heißen Sonntag nur einen genialen Moment gestattete, den tödlichen Pass auf Jorge Burruchaga in der 85. Minute. Es wurde das 3:2, das die Hoffnungen der Deutschen, die ein 0:2 durch Tore von Karl-Heinz Rummenigge und Rudi Völler aufgeholt hatten, zertrümmerte.

1990: Brehme und der Elfmeter ins Glück

Vier Jahre später in Rom nahmen sie Revanche. Im wohl einseitigsten Finale der WM-Historie, man zählte 23:1 Torschüsse pro Deutschland, leistete eine dezimierte argentinische Elf dennoch bis zur 85. Minute erfolgreich Widerstand, ehe ein Foulelfmeter durch Andy Brehme die Entscheidung brachte. "Ich hätte lieber 0:4 verloren als durch so einen Elfmeter", schimpfte Diego, der einige bittere Tränen vergoss. Vieles in diesem Finale erinnerte an die Anfänge: Es ging hart zu und zwei Gauchos flogen vom Platz, was ein Novum für ein WM-Finale darstellt. Obwohl es im Spiel sozusagen einen Partnerwechsel gab, Guido Buchwald war für Maradona zuständig und entnervte ihn gewaltig, bekam Matthäus am Ende wieder das Trikot des Rivalen und noch ein zweites, das er für Reservist Frank Mill organisierte.

Ein pikantes Detail am Rande: Matthäus spielte ausgerechnet mit einem Schuh, den ihm Maradona geschenkt hatte. Dessen Sohle zerbrach jedoch in der ersten Hälfte und so traute sich Matthäus nicht, mit neuem Schuh den Elfmeter zu schießen. So hatte auch Maradona seinen Anteil daran, dass Brehme unsterblich wurde an jenem 8. Juli 1990.

2006: Lehmann und der Spickzettel

Danach hat es nur noch zwei bedeutsame Spiele zwischen den Rivalen gegeben, Beim WM-Viertelfinale 2006 in Berlin stand es nach 120 Minuten 1:1 und nun mussten Elfmeterschützen den Weg ins Halbfinale ebnen. Der deutsche Torwart Jens Lehmann erhielt von Torwarttrainer Andreas Köpke einen Zettel mit den Vorlieben der argentinischen Schützen und obwohl er die blasse Schrift kaum lesen konnte, parierte er zwei Bälle. Der Kult-Zettel war dem Energiekonzern EnBW übrigens eine Million Euro wert (zu Gunsten von "Ein Herz für Kinder") und liegt heute im Haus der Geschichte in Bonn.

In dem anschließenden Tumult auf dem Platz spielten beide Seiten keine allzu rühmliche Rolle, es kam zu Tritten und Faustschlägen. Torsten Frings wurde nachträglich für das Halbfinale gesperrt.

2010: Als Diego Maradona Thomas Müller kennenlernte

2010 gab es ein doppeltes Wiedersehen. Im März gewann Argentinien in München mit 1:0, und Trainer Diego Maradona sorgte für das meiste Aufsehen nach dem Spiel, als er die Pressekonferenz nicht mit Thomas Müller absolvieren wollte. Er kenne den Mann nicht, sagte die Fußball-Legende, die immer auch eine Diva war. Müller gab an diesem Tag sein Länderspiel-Debüt. Drei Monate später bei der WM in Südafrika schien Maradona Müller und seine Qualitäten immer noch nicht zu kennen. Jedenfalls eröffnete der Bayern-Stürmer schon nach drei Minuten in jenem sagenhaften Viertelfinale den Torreigen – reichlich unbehelligt kam er nach einem Freistoß zum Schuss.

Die Deutschen avancierten an diesem 3. Juli in Kapstadt zum großen WM-Favoriten, boten ihr bestes Turnierspiel und fegten die Argentinier mit 4:0 vom Platz. Zweimal trug sich Miroslav Klose in die Torschützenliste ein und sogar Verteidiger Arne Friedrich steuerte an diesem Tag einen Treffer bei – seinen einzigen in 82 Einsätzen. Auf der Tribüne jubelte auch die Kanzlerin mit. "Es war einfach überwältigend. Es ist eine junge Mannschaft, aber wie abgeklärt und ruhig die ihre Chancen genutzt hat, hat mich einfach nur begeistert", schwärmte Angela Merkel. Die Weltpresse wand Girlanden für das neue Deutschland. "Der charismatische Trainer Löw hat aus einer langweiligen, berechnenden und grundsoliden Mannschaft ein neues Ganzes geformt, das sexy, sinnlich und innovativ ist", schrieb Belgiens Blatt De Morgen. Und die Bild am Sonntag titelte euphorisch: "Danke, Ihr Helden."

2014: Götze schießt Deutschland zum vierten WM-Titel

Und dann war da noch der 13. Juli 2014, der Tag von Maracana. Er ist allen Deutschen noch in bester Erinnerung. Vor allem der Moment, als die Joker stachen: als nämlich Mario Götze in Minute 113 die Flanke von André Schürrle mit der Brust annahm und im Fallen artistisch ins Tor lenkte.

Deutschland feierte tagelang den vierten WM-Titel. Nun werden sie wieder wach, die Erinnerungen an einen goldenen Sommer. Wie wäre es mit einer kleinen Zugabe?!

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Deutschland gegen Argentinien, Mittwoch (ab 20.45 Uhr, live im ZDF), Ortstermin in Düsseldorf - ein ganz besonderes Duell im Weltfußball. Allein dreimal lautete so die Finalpaarung einer WM. Das ist ein Rekord, das allein macht das Spiel zum Klassiker.

Mehr noch: Nur gegen ein Land, nämlich das frühere Jugoslawien, hat Deutschland noch häufiger bei einer Weltmeisterschaft gespielt. Argentinien stand dem DFB-Team siebenmal gegenüber. Dabei vergingen 50 Jahre DFB-Historie, ehe sich die Auswahlteams erstmals trafen. Für DFB.de erinnert der Autor und Historiker Udo Muras die Höhepunkte eines einzigartigen Ländervergleichs.

1958: "Argentinien muss die größere Klasse der Deutschen anerkennen"

Gleich bei der Premiere ging es um viel, es war das Auftaktspiel zur Fußball-WM 1958 in Schweden. In Malmö traf der amtierende Weltmeister mit noch vier Helden von Bern auf die Argentinier, die sich auf Geheiß des Unparteiischen verkleiden mussten. Es war ein Fernsehspiel und die blau-weiß gestreiften Dresse ähnelten den weißen der Deutschen zu sehr. Jedenfalls für Schwarz-Weiß-Zuschauer. Also schlüpften die Argentinier in gelbe Trikots von Malmö FF. Am Ende hieß es 3:1 für Deutschland, und die Tageszeitung Die Welt analysierte: "Als sich aber die Abwehr der Deutschen gefügt hatte, begann mit unglaublicher Präzision Herbergers System zu funktionieren. Alfred Schmidt fand Kontakt zu Uwe Seeler und Schäfer, und augenblicklich fasste auch Fritz Walter Fuß und mit ihm der unglaubliche Helmut Rahn, der das Chaos in den Stiefeln hat." Aus diesen Stiefeln feuerte er zwei unhaltbare Bälle ins Tor, einen aus 30 Metern. Seeler sorgte für das 2:1.

Leider stand das erste Treffen im Zeichen der Unfairness: Sepp Herberger beklagte hinterher drei Verletzte, aber auch Argentiniens Technischer Direktor Guilermo Stabile fand harte Worte: "Wir sind an keinen so gewalttätigen Fußball gewöhnt." Runde eins ging aber verdient an Deutschland, und das gab auch die argentinische Presse zu. La Prensa schrieb: "Die Argentinier mussten klar die größere Klasse der deutschen Mannschaft anerkennen."

1966: "Böser Fußball im Villa-Park"

So viel Objektivität hätte man sich auch nach dem zweiten Treffen gewünscht. Wieder war es ein WM-Gruppenspiel, 1966 in Birmingham. "Es war böser Fußball im Aston Villa-Park", schrieb Die Welt nach dem 0:0, von "Anti-Fußball" sprach gar DFB-Pressechef Dr. Gerhardt. Das gelangweilte neutrale Publikum rief schon bald demonstrativ nach der englischen Mannschaft. "Torchancen kamen so selten vor wie Walfische im Rhein", witzelte Die Welt hintergründig, denn im Mai 1966 hatte sich tatsächlich ein Wal in den Rhein verirrt. Keine Tore, viele Fouls und ein Platzverweis für Argentiniens Jorge Albrecht – das war die Bilanz von Birmingham.

"Der Franz Beckenbauer hat sich zum Schluss nicht mehr in die Offensive getraut, sie hatten alle Angst", beklagte Bundestrainer Helmut Schön die rustikale Spielweise des Gegners. Die Sport-Illustrierte schrieb: "Für Pampas-Stiere ist in Fußball-Stadien kein Platz, jedenfalls nicht in europäischen."

Der Klassiker hatte einen schweren Start, Liebe auf den ersten Blick war es sicher nicht. Das Verhältnis besserte sich, als man sich in Testspielen gegenüber stand, die im Zeichen von Gastgeschenken standen. Im Februar 1973 verlor die DFB-Auswahl in München nach schwacher Leistung mit 2:3 und die Westdeutsche Zeitung schrieb hämisch, dass Deutschland "in dieser Formation höchstens Weltmeister im Kegeln werden kann". Es kam anders.

1977: Erster Auftritt in Argentinien

Im Juni 1977 strömten beim ersten DFB-Gastspiel überhaupt in Argentinien 68.000 Menschen ins Boca Juniors-Stadion zu Buenos Aires, um den amtierenden Weltmeister im Fußball zu sehen. Der siegte trotz strapaziöser Anreise (25 Flug-Stunden mit drei Zwischenlandungen) nach zwei Fischer-Toren und einem Treffer von Bernd Hölzenbein souverän mit 3:1. Den einzigen Misston gab es vor dem Spiel, als Luis Cesar Menotti das Treffen der Trainer in einer Fernsehsendung schwänzte, während Helmut Schön sich extra von der Polizei mit Blaulicht im Höllentempo ins Studio hatte eskortieren lassen.

Beim nächsten Wiedersehen 1979 waren die Rollen wieder verkehrt, nun kam Argentinien als Weltmeister nach Berlin, wo man sich mehr als 45.000 Zuschauer gewünscht hätte. Sah man doch ein 2:1 (DFB-Tore: Rummenigge, Allofs) und somit den ersten von bis dato nur zwei Heimsiegen gegen die Südameri-kaner, die offenbar nur in der Hauptstadt zu bezwingen sind. So war es danach noch 1988 beim Vier-Länder-Turnier (1:0) und 2006 beim WM-Viertelfinale, allerdings erst im legendären Elfmeterschießen.

1981: Niederlage bei der "Mini-WM"

Die Revanche für Berlin 79 fand an Neujahr 1981 in Montevideo bei der Mini-WM statt. Uruguay hatte alle Ex-Weltmeister zu einem Turnier geladen, weil der Verband Jubiläum feierte. Hier riss die bis heute längste Erfolgsserie in der DFB-Geschichte. Nach 23 Spielen ohne Niederlage verlor das Team von Bundestrainer Jupp Derwall erstmals wieder – und das sehr unglücklich. Noch bis zur 85. Minute hieß es 1:0, am Ende aber 1:2. Ein Eigentor von Manni Kaltz brachte die Wende. Dabei hätte er "nur wegbleiben müssen, ich hatte den Ball schon in meiner Einkaufstasche", jammerte Torwart Toni Schumacher.

Es war übrigens die erste Begegnung mit dem Wunderknaben Diego Maradona, von dem alle Welt tatsächlich schwärmte. Der Pfälzer Hans-Peter Briegel hatte ihn aber gut im Griff, trotz schlechter Ahnungen: "Als ich ihn sah, bekam ich erst mal einen Schreck. Der sah so klein und schmächtig aus dass ich dachte: mit dem kommst du nie zurecht." Kam er doch, wenngleich er sich eine Gelbe Karte einhandelte. Maradona lobte Briegel hinterher als besten Gegenspieler seiner Karriere – aber da war er erst 20.

1982: Matthäus und der Beginn eines Dauerduells

In der Folge bekam er es aber mit Lothar Matthäus zu tun, der rein körperlich besser zu ihm passte. Als man sich vor der WM 1982 in Buenos Aires (1:1) wieder traf, überzeugte der 20-jährige Gladbacher auch den Bundestrainer. "Wer hätte denn vorher geglaubt, dass außer Briegel noch einer so gut gegen Maradona bestehen könnte wie Matthäus?" fragte Jupp Derwall.

Zwischen den beiden Weltstars entstand über die Jahre hin auch aufgrund gemeinsamer Jahre in Italien eine kameradschaftliche Beziehung, die dem deutsch-argentinischen Verhältnis durchaus gut tat. "Ich möchte nicht von Freundschaft sprechen, aber wir sind uns menschlich näher gekommen", sagte Matthäus einmal.

Der Klassiker erlebte mit diesen beiden Rivalen und unter Teamchef Franz Beckenbauer seine packendsten Momente. Dabei vermiesten die Gauchos dem Fußball-Kaiser im September 1984 in Düsseldorf (1:3) noch den Einstand. Niemand ahnte zu diesem Zeitpunkt, die Finalisten der kommenden WM in Mexiko gesehen zu haben.

1986: Maradona auf dem Zenit

Aber am 29. Juni 1986 war es so weit: Argentinien hatte sich ins Finale gezaubert, Deutschland gekämpft. Der gegenseitige Respekt war riesig. Jorge Valdano hat Jahre später erzählt, was in der Kabine der Argentinier vor dem Anpfiff los gewesen war: "Plötzlich begann Maradona laut nach seiner Mutter zu rufen. 'Tota', so heißt sie, 'Tota komm und hilf mir, ich habe Angst, du musst mich beschützen.' Die Botschaft an uns war: wenn ihr Angst habt, keine Sorge, ich habe auch Angst. Und er war das Genie des Weltfußballs."

Dem Lothar Matthäus an diesem heißen Sonntag nur einen genialen Moment gestattete, den tödlichen Pass auf Jorge Burruchaga in der 85. Minute. Es wurde das 3:2, das die Hoffnungen der Deutschen, die ein 0:2 durch Tore von Karl-Heinz Rummenigge und Rudi Völler aufgeholt hatten, zertrümmerte.

1990: Brehme und der Elfmeter ins Glück

Vier Jahre später in Rom nahmen sie Revanche. Im wohl einseitigsten Finale der WM-Historie, man zählte 23:1 Torschüsse pro Deutschland, leistete eine dezimierte argentinische Elf dennoch bis zur 85. Minute erfolgreich Widerstand, ehe ein Foulelfmeter durch Andy Brehme die Entscheidung brachte. "Ich hätte lieber 0:4 verloren als durch so einen Elfmeter", schimpfte Diego, der einige bittere Tränen vergoss. Vieles in diesem Finale erinnerte an die Anfänge: Es ging hart zu und zwei Gauchos flogen vom Platz, was ein Novum für ein WM-Finale darstellt. Obwohl es im Spiel sozusagen einen Partnerwechsel gab, Guido Buchwald war für Maradona zuständig und entnervte ihn gewaltig, bekam Matthäus am Ende wieder das Trikot des Rivalen und noch ein zweites, das er für Reservist Frank Mill organisierte.

Ein pikantes Detail am Rande: Matthäus spielte ausgerechnet mit einem Schuh, den ihm Maradona geschenkt hatte. Dessen Sohle zerbrach jedoch in der ersten Hälfte und so traute sich Matthäus nicht, mit neuem Schuh den Elfmeter zu schießen. So hatte auch Maradona seinen Anteil daran, dass Brehme unsterblich wurde an jenem 8. Juli 1990.

2006: Lehmann und der Spickzettel

Danach hat es nur noch zwei bedeutsame Spiele zwischen den Rivalen gegeben, Beim WM-Viertelfinale 2006 in Berlin stand es nach 120 Minuten 1:1 und nun mussten Elfmeterschützen den Weg ins Halbfinale ebnen. Der deutsche Torwart Jens Lehmann erhielt von Torwarttrainer Andreas Köpke einen Zettel mit den Vorlieben der argentinischen Schützen und obwohl er die blasse Schrift kaum lesen konnte, parierte er zwei Bälle. Der Kult-Zettel war dem Energiekonzern EnBW übrigens eine Million Euro wert (zu Gunsten von "Ein Herz für Kinder") und liegt heute im Haus der Geschichte in Bonn.

In dem anschließenden Tumult auf dem Platz spielten beide Seiten keine allzu rühmliche Rolle, es kam zu Tritten und Faustschlägen. Torsten Frings wurde nachträglich für das Halbfinale gesperrt.

2010: Als Diego Maradona Thomas Müller kennenlernte

2010 gab es ein doppeltes Wiedersehen. Im März gewann Argentinien in München mit 1:0, und Trainer Diego Maradona sorgte für das meiste Aufsehen nach dem Spiel, als er die Pressekonferenz nicht mit Thomas Müller absolvieren wollte. Er kenne den Mann nicht, sagte die Fußball-Legende, die immer auch eine Diva war. Müller gab an diesem Tag sein Länderspiel-Debüt. Drei Monate später bei der WM in Südafrika schien Maradona Müller und seine Qualitäten immer noch nicht zu kennen. Jedenfalls eröffnete der Bayern-Stürmer schon nach drei Minuten in jenem sagenhaften Viertelfinale den Torreigen – reichlich unbehelligt kam er nach einem Freistoß zum Schuss.

Die Deutschen avancierten an diesem 3. Juli in Kapstadt zum großen WM-Favoriten, boten ihr bestes Turnierspiel und fegten die Argentinier mit 4:0 vom Platz. Zweimal trug sich Miroslav Klose in die Torschützenliste ein und sogar Verteidiger Arne Friedrich steuerte an diesem Tag einen Treffer bei – seinen einzigen in 82 Einsätzen. Auf der Tribüne jubelte auch die Kanzlerin mit. "Es war einfach überwältigend. Es ist eine junge Mannschaft, aber wie abgeklärt und ruhig die ihre Chancen genutzt hat, hat mich einfach nur begeistert", schwärmte Angela Merkel. Die Weltpresse wand Girlanden für das neue Deutschland. "Der charismatische Trainer Löw hat aus einer langweiligen, berechnenden und grundsoliden Mannschaft ein neues Ganzes geformt, das sexy, sinnlich und innovativ ist", schrieb Belgiens Blatt De Morgen. Und die Bild am Sonntag titelte euphorisch: "Danke, Ihr Helden."

2014: Götze schießt Deutschland zum vierten WM-Titel

Und dann war da noch der 13. Juli 2014, der Tag von Maracana. Er ist allen Deutschen noch in bester Erinnerung. Vor allem der Moment, als die Joker stachen: als nämlich Mario Götze in Minute 113 die Flanke von André Schürrle mit der Brust annahm und im Fallen artistisch ins Tor lenkte.

Deutschland feierte tagelang den vierten WM-Titel. Nun werden sie wieder wach, die Erinnerungen an einen goldenen Sommer. Wie wäre es mit einer kleinen Zugabe?!